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Eschenhausen
Damerows Bleibe nach der Vertreibung 1945

Freitag, 11. September 2009, zurück von Flensburg, "Hoch im Norden", vorbei an Hamburg und Bremen, haben wir gerade (natürlich wg. entschlummter Co-Pilotin) die „richtige“ Autobahn-Ausfahrt von der A1 verpasst. Sie sollte uns zum Ferienhof von Wolfgang Pankalla in Neubruchhausen bringen, den wir für die beiden kommenden Nächte gebucht hatten. Dafür brachte uns die nächste, „falsche“ Ausfahrt genau richtig auf die B51 und geradewegs nach Bassum, der Zentralgemeinde von 16 weiteren Ortschaften, zu denen auch Eschenhausen gehört.

Zur Orientierung bei allen folgenden Ortsangaben hilft die Karten Seite. Ein K! öffnet sie an Stellen, an denen ich vermute, dass dies hilfreich sein könnte.

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Eschenhausen, das sollte nach Ende des Zweiten Weltkriegs Zuhause werden für die Damerows, von 1946(1948) bis 1957.

Für unsere Eltern, Mutter Magdalena Damerow, unsere "Muttel", die als Lene Schubert am 11. Dezember 1920 im Klessengrund, Kreis Grafschaft Glatz in Schlesien geboren wurde und Vater Fritz, Otto, Albert Damerow, unseren "Vatel", der am 13. Januar 1893 in Klein Rambin in Ostpommern geboren wurde, war Eschenhausen nach ihrer Vertreibung aus Schlesien die zweite bzw. dritte Heimat.

Für meinen Bruder Reinhard, der im Bassumer Krankenhaus am 14. Januar 1947 zur Welt kam und für mich, Karlheinz, sollte Eschenhausen die erste Heimat werden. Obwohl ich schon am 6. Januar 1945, noch in Habelschwerdt, Kreis Grafschaft Glatz, bei Klessengrund, in Schlesien, das Licht der Welt erblickte, und meine ersten 15 Lebens-Monate dort verbracht haben muss (s.u., Muttels Protokoll), ist mir außer den Baby-Photographien nichts heimatähnlich Erinnerbares davon übrig geblieben.

Hier ein kleiner Auszug aus einem, erst nach deren Tod bewusst zur Kenntnis genommenen Adressbuch unserer Eltern, in dem die Muttel Folgendes eingetragen hatte:

3.4.1946 aus Klessengrund
(fast ein Jahr nach dem 8. Mai 1945, 23.01 MEZ, der bedingungslosen Kapitulation für alle Fronten.
Muttel ist 25 Jahre, Karlheinz ist eineindrittel Jahr alt (K))

7.4.1946 in Syke bei Bremen

10.4.1946 nach Eckernförde
(Schleswig-Hostein)

13.4.1946 nach Neustadt in Holstein
(! Reinhard)

14.4.1946 zurück nach Eckernförde

2.5.1946 zurück nach Syke - von da nach Bramstedt-Bünte zu Bauer Aufderheide

6.5.1946 zu Peters, Karrenbruch

21.1.1947 zu Beckmann, Karrenbruch
(Muttel ist 26 Jahre, Karlheinz ist zwei Jahre, Reinhard eine Woche alt (K))

1.6.1948 zu Hillebold, Eschenhausen
(Muttel ist 27 Jahre, Karlheinz ist fast dreineinhalb Jahre, Reinhard eineinhalb Jahre alt (K))

1.9.1951 zu Ww. Schmidt, Eschenhausen
(Muttel ist fast 30 Jahre, Karlheinz ist über sechseinhalb Jahre, Reinhard über viereinhalb Jahre alt (K))

20.8.1957 Trossingen, Baden-Württemberg
(Muttel ist fast 37 Jahre, Karlheinz ist 12,5 Jahre, Reinhard 10,5 Jahre alt (K))

27.6.1967 Vatel gestorben
(Vatel wird 74 Jahre alt; Muttel ist fast 47 Jahre, Karlheinz ist 22, Reinhard 20 Jahre alt (K))

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Um eine der Essenzen des folgenden Reise-Protokolls 2009 vorwegzunehmen:

Mit dem Abstand von fast sechzig Jahren und besonders nach dem Erlebnis dieser, meiner vierten Reise zu IHM, ist mir bewusst geworden, dass „unser“ ESCHENHAUSEN zu mindestens meine Heimat ist.

Die Gesamtheit aller Umstände von Beziehungen zu diesem Raum, in dem ich auf-wuchs und zu diesen Menschen, mit denen ich auf-gewachsen bin, prägten das Leben von Kallemann Damerow so erheblich, dass sie einen wesentlichen Teil seiner Identifikation und damit Heimat bezeichnen.  

Die erste Reise nach Eschenhausen, Reinhard und Kallemann auf dem Fahrrad von Trossingen in Baden Württemberg nach Bremen und zurück, muss irgendwann Anfang der Sechziger Jahre stattgefunden haben.

Die zweite habe ich fast verdrängt, aber Herbert Schmidt erinnerte sich, die fand auf meinem Weg zu Deutschen Schwimmmeisterschaften in Hamburg (1977?) statt. Die dritte dann gemeinsam mit Elke irgendwann in den Achtzigern?.

Bis auf die erste, bei der wir bei Lindloges, wohl eine Woche lang, nach kräftigem Mitackern unter dicken Federbetten geschlafen haben, waren die beiden anderen eigentlich nur kurze Stippvisiten auf der Durchreise.

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Freitag, 11. September 2009 gegen 16 Uhr, geht es von der südöstlichen Umgehung der B51 um Bassum, versenkt ins platte Land, auf die L332, die Osterbinder Straße Richtung Neubruchhausen. Vorbei am Gasthof Freye in Osterbinde – sofort wiedererkannt – finden wir ebenso auf Anhieb die kurze Abzweigung rechts nach ESCHENHAUSEN, K! 

„Bei den Häusern eines Esico und seiner Sippe“..., 

wie wohl die älteste Erwähnung vor über 700 Jahren lautet, die möglicherweise den heutigen Namen des Ortes begründet.

Ein Streudorf, in dem die Häuser, ursprünglich alles Bauernhöfe, weit auseinander liegen, mit ihren Feldern, Wiesen und Wäldern um sie herum.

Mit Beginn des Niedergangs der bäuerlichen hin zur industriellen Landwirtschaft im letzten Jahrhundert und dem Zwang zu immer größeren Flächen = Produktions-Einheiten, wichen die wenigen übrigbleibenden Betriebe der Enge in ursprünglichen Haufendörfern (wie sie in den größten Teilen Deutschlands vorherrschten) und zogen in sogenannte Aussiedlerhöfe inmitten ihrer bewirtschafteten Flächen. Quasi eine Rolle rückwärts zum Streudorf, das in sofern schon viele Generationen davor, hier in Norddeutschland, innovativer war als das Haufendorf, die Stadt im Kleinen.

Man mag es ja noch so traurig finden, aber es wird wohl bald keines von beiden mehr geben, weder die bäuerliche Landwirtschaft mit ihren Familienbetrieben, noch die Familie als "Keimzelle der Gesellschaft". Beide gehen gerade den Bach der Geschichte runter. Eine Voraussicht, die mir den Gedanken, nicht ewig leben zu müssen, noch angenehmer macht. 

Die Dorfstraßen sind bessere „single tracks“, reicht ja auch, einspurig, wie z.B. in vielen Teilen der schottischen Highlands; Nur Ausweichbuchten gibt’s hier nicht. In unserer Kindheit bestand die Verbindungsstraße von Landes- zur Kreisstraße aus einer Kopfsteinpflaster-Spur mit Sandwegen an beiden Seiten, für Fußgänger und Fahrräder auf der einen und Pferdefuhrwerke mit vielen tiefen Spurlöchern auf der anderen Seite. Die Pflasterung war dem Wohlwollen eines Bremer Fabrikanten gedankter Luxus für Eschenhausen. (Siehe: 16 - Das geheimnisvolle Haus).

Die Dorfstraßen heißen hier auch heute noch ganz prosaisch alle wie der Ort selber und haben keinen eigenen Namen. Das ist in den meisten kleineren Siedlungen so, die fast alle auch Streudörfer sind. Die Adressen der Häuser ergaben sich nicht, wie sonst üblich, aus der durchnummerierten Reihenfolge von Grundstücken entlang der Straßen, sondern aus der zeitlichen Reihenfolge ihrer Errichtung in den Gemeindegrenzen.

So ist Eschenhausen Nr. 1 der erste Hof, der in diesem Ort 1576 gebaut wurde, fast am westlichen Dorfrand, in dem seit 1937 die Familie Holtz lebt. Das wissen natürlich alle, die hier groß geworden sind. Selbst einer, der als Kind hier gelebt hat, braucht aber ein halbes Jahrhundert später, als Kindheits-Tourist, eine Dorf-Karte, um sagen zu können: Das Haus, zu dem wir gerade abgebogen sind, trägt die Hausnummer 23, ist das der Familie Schmidt und liegt etwa in der Ortsmitte am nördlichen Dorfrand, südlich der Osterbinder Straße nach Neubruchhausen. K!

Das teilweise ausgebaute Dach dieses, 1907 zur Nebenerwerbs Landwirtschaft errichteten Gebäudes war für die vier Damerows, Lene, Fritz, Reinhard und Karlheinz das dritte und die längste Zeit Zuhause in und um Eschenhausen.


Bilder:

- Die Eltern

- Reinhards nicht gehaltene Grabrede für die Muttel

- Im Karrenbruch
(?=ich bin nicht sicher, ob die Fotos vor Karrenbruch 2, Beckmann, entstanden sind. Wer weiß es besser?)

- In Eschenhausen

- Eschenhausen in den 60ern


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