••BLÖÖK
05. 03. 2019


Exzerpt des Artikels:

Deutschland in der Klempner-Krise

Süddeutsche Zeitung,
Samstag/Sonntag,
16./17. Februar 2019
(SZ)

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Deutschland ist in der Klempner-Krise. Mit dieser Horror Nachricht hat die Bild-Zeitung soeben ihre Leser aufgeschreckt, und um das ganze Ausmaß des Desasters zu illustrieren, fügt das Blatt den Hinweis hinzu, dass der Mensch, der einen Handwerker braucht, bis zu zwei Jahre warten muss.

Ach Gott, denkt man, nur zwei Jahre. Damals, als das Wasserrohr in der Küche brach und der Keller volllief, wäre man froh gewesen, hätte der Klempner nach zwei Jahren Wartezeit endlich seine Arbeit aufgenommen. Er kam aber erst nach vier Jahren und sieben Monaten, da lebten im Keller schon seltene Kröten, und Spiegelkarpfen legten ihre Eier zwischen den auf der Roten Liste verzeichneten Wasserpflanzen ab. Die Behörden hatten das Keller-Biotop längst als Naturschutz Gebiet ausgewiesen, weshalb der Klempner unverrichteter Dinge wieder abziehen musste, was er frohen Herzens auch tat, weil er das Werkzeug vergessen hatte. Für die An- und Abfahrt berechnete er 200 Euro, ein Freundschaftspreis, wie er versicherte, und zahlbar binnen 24 Stunden.

Gut, das mag ein extremer Einzelfall gewesen sein. Tatsächlich gibt es ja auch Handwerker, die nach zwei Jahren zur Stelle sind, aber das sind dann solche, die grundsätzlich nichts reparieren und bei einem tropfenden Wasserhahn den Einbau einer neuen Küche für unausweichlich erklären. Früher schaute wenigstens mal ein Lehrling vorbei, sozusagen als vertrauensbildende Maßnahme, denn anrühren durfte er nichts, weil er nur über Erfahrungen im Brotzeit-Holen verfügte. Heute sieht man so gut wie keine Lehrlinge mehr, nicht nur, weil sie jetzt Auszubildende heißen, sondern vor allem wegen der allseits beklagten Unlust der Jugend, einem strengen aber gerechten Meister zu dienen. Lieber werden diese jungen Nichtsnutze ja Gangsta-Rapper, Models oder Influencer und verdienen Millionen.

Dennoch ist es verwunderlich, dass niemand mehr den ehrenwerten Beruf des Klempners ergreifen will, den Reinhard Mey einst mit unsterblichen Versen besungen hat: „Immer werden Hähne tropfen, / Werden Waschbecken verstopfen, / Es gibt immer was zu planschen, / An den Hähnen zu verflanschen.“ Ja, es gibt kaum einen Job, der so zukunftssicher ist wie der des Klempners – nur der Totengräber kann da noch mithalten.

Attraktiv ist die Branche aber vor allem, weil der Handwerksmeister über eine Macht verfügt, wie sie sonst nur der Kaiser von China hatte. Der Meister weiß, ohne den Handwerker wäre der  Mensch aufgeschmissen. Deshalb erwartet er, dass sich der Kunde vor ihm niederwirft und mit der Stirn am Boden alleruntertänigste fragt, ob Ihre Majestät geruhen möge, den Wasserhahn zu richten. In ganz seltenen Fällen wird dann ein Termin um das Jahr 2025 in Aussicht gestellt.

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