•••BLÖÖK
28.05.2018


Wahlen wie in Nordkorea

DatenSchutzGrundVerOrdnungs (DSGVO)-Panik – Selbst Kühlschränke bitten ihre Besitzer um Zustimmung zu den neuen Datenschutz-Regeln.

Wieso geben sich Fakebook und Guugl so betont gelassen? Weil sie zu recht davon ausgehen, dass fast allen Menschen ihre Privatsphäre egal ist; dass nur "elitäre Medienmenschen und unterbeschäftigte Eurokraten" an ihrer Wahrung interessiert sind?!

VON MICHAEL MOORSTEDT
Süddeutsche Zeitung,
Internet Kolumne
28. Mai 2018

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"Hier ist die Realität: Die Mehrheit der Menschen hat kein Interesse an Privatsphäre." Das sagte vor kurzem Antonio García Martínez in einem Interview. Der Mann muss es wissen. Schließlich hat er Fakebooks Ad-Targeting-System mit aufgebaut, war also persönlich dafür verantwortlich, die Daten der Nutzer in Geld zu verwandeln (und auf sein Konto zu leiten!). Die Einzigen, die die Wahrung von Privatsphäre interessiere, referierte García Martínez weiter, seien "elitäre Medienmenschen und unterbeschäftigte Eurokraten".

Was passiert, wenn diese "Eurokraten" dann doch mal tätig werden, konnte jeder Internetnutzer in der vergangenen Woche beobachten. Seit Freitag ist die neue Europäische Daten-schutz-grund-ver-ordnung (DSGVO) nach jahrelanger Vorbereitung endlich anzuwenden. Die Verordnung besteht aus insgesamt 99 Artikeln. Das bekannte Recht auf Vergessen ist dort geregelt, aber auch ein "Recht auf Datenübertragbarkeit" oder ein Auskunftsrecht über den Verwendungszweck persönlicher Daten. Lauter gute Sachen, eigentlich.

"500 Menschenjahre Arbeit" fielen bei Google wegen der DSGVO an, weint Google

Um alldem gerecht zu werden, schickten Onlinedienste seit Wochen jedem ihrer Nutzer eine E-Mail, in der sie neue Nutzungsbedingungen vorstellen und bitten, diese abzusegnen. Und je näher der Stichtag rückte, desto verzweifelter hörte sich das an. "Bitte stimme zu" hieß es da, oder einfach nur "Bitte geh nicht". Natürlich, so war zu lesen, gab es auch Internet-Kriminelle, die versuchten, Menschen mit gefälschten E-Mails auf gefälschte Webseiten zu locken, um noch mehr Daten abzugreifen, bevorzugt solche, die fremde Bankkonten betreffen.

Auf der Website gdprhallofshame.com werden die absurdesten Auswüchse der DSGVO-Panik gesammelt. Das Highlight ist wohl der internetfähige Kühlschrank, auf dessen Riesendisplay um Zustimmung zu der neuen Verordnung gebeten wurde. Das ist es dann wohl auch, was am Ende bei den meisten hängen bleiben wird: Datenschutz nervt, ist aufwendig, bürokratisch und bringt praktisch nichts.

Uninspiriertes Friss-oder-stirb

Auf Seiten der großen Internetkonzerne gibt man sich deshalb auch betont entspannt. Insgesamt "500 Menschenjahre Arbeit" habe man in die Vorbereitung gesteckt, heißt es etwa bei Google. Ähnlich locker zeigt man sich bei Fakebook, obwohl man dort zuvor jahrelang gegen die DSGVO anlobbyiert hat. Das liegt wohl auch daran, dass man hier in den Mantel der Regulierung noch ein paar Schlupflöcher eingenäht hat. Whatsapp teilt jetzt die Daten seiner Nutzer mit dem Mutterkonzern Fakebook. Und der lässt sich gleich auch noch das Recht zum Einsatz von Gesichtserkennungssoftware einräumen.

Herausgekommen ist bei vielen Konzernen ein uninspiriertes Friss-oder-stirb: Entweder der Nutzer stimmt den neuen Richtlinien zu oder er wird ausgesperrt. Forced Consent, also erzwungene Zustimmung, nennt die Datenschutz-Organisation "None Of Your Business" diese Praxis und hat prompt Beschwerde gegen Guugl, Fakebook, Instegräm und Wotsäpp eingelegt. Das sei keine freie Wahl, so der Gründer Max Schrems, sondern erinnere eher an Wahlen in Nordkorea.

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