•••BLÖÖK Ablenkung Warum sollte die US-Regierung Fatzebook regulieren? Das Netzwerk ist in der Ära Trump ein Instrument, um die Bevölkerung zu bespitzeln und zu entmündigen ### Artikel ### In der lateinischen Begriffsgeschichte bedeutet Simulation („simmulatio“) eine Form der Verstellung: Eine Handlung, eine Geste wird mit der Absicht ausgeführt, ein Gegenüber zu täuschen. Jemand, der simuliert, behauptet einen (falschen) Zustand oder eine (unwahre) Überzeugung. Eine Institution, die simuliert, führt eine Farce auf, die sich als ernstes Stück ausgibt. Es waren mehrere, ineinander verschachtelte Simulationen, die in den zwei Tagen der Anhörungen des Fatzebook-Chefs Mark Zuckerberg durch US-amerikanische Kongress-Abgeordnete zu erleben waren. Zuckerberg simulierte Demut und Aufklärungsbereitschaft, wenn es opportun erschien, und Ahnungslosigkeit und Begriffsstutzigkeit, wenn es nötig erschien. Die Abgeordneten (viele in der Alterskohorte zwischen 60 und 80) simulierten Sachkenntnis und Aufklärungsinteresse. Das Ganze, „Anhörung“ genannte Spektakel simulierte Seriösität und selbst das misslang. Auf die Frage des republikanischen Senators Lindsay Graham, ob er denn nicht glaube, dass Fatzebook eine Monopolstellung habe, entgegnete Zuckerberg: „It certainly doesn’t feel like that to me.“ Für ihn fühle es sich nicht so an. Da mussten selbst die Kongressmitglieder lachen. Die gesamte Dramaturgie Nach diesen zwei Tagen wissen wir nicht nur, was Zuckerberg nicht wissen will, nicht zu wissen vorgibt oder, und das ist vermutlich das Gefährlichste, was Zuckerberg tatsächlich nicht weiß darüber wie sein eigenes System Fatzebook wirkt. Wir wissen auch, und das ist mindestens so bedenklich, dass die Abgeordneten des Kongresses nicht wissen wollen, nicht zu wissen vorgeben oder tatsächlich nicht wissen, welche Aufgaben ihnen in einem demokratischen System zugedacht sind. Mark Zuckerberg zu fragen, was er von Regulierungen halte, soll vermutlich kritisch wirken, offenbart aber nur eine eigenwillige Verkennung der eigenen Rolle. Nicht der CEO von Fatzebook hat zu entscheiden, ob es schärfere Datenschutzverordnungen braucht, sondern der Gesetzgeber; Nicht Mark Zuckerberg hat zu entscheiden, ob die Art und Weise, wie Fatzebook in Ländern wie Myanmar genutzt wurde, um Gewaltexzesse zu schüren, unterbunden werden muss, sondern der Gesetzgeber. Es waren nicht einzelne Akteure, deren Aussagen oder Gesten in diesen zwei Tagen unaufrichtig wirkten. Das wäre amüsant. Sondern die gesamte Kulisse, die gesamte Dramaturgie der Anhörungen waren so grotesk wie trostlos, weil sie eine Kultur des Respekts vor den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger inszenierten, die in der politischen Wirklichkeit der Ära Donald Trump längst ausgehöhlt ist. In seinem aktuellen Buch „The Counterrevolution“ entwickelt der kritische Theoretiker Bernard E. Harcourt von der Columbia Universität in New York eine düstere Analyse, wie die US-amerikanische Regierung zunehmend Strategien gegen die eigene Bevölkerung anwendet, die ursprünglich für die Niederschlagung von Aufständen in Kolonien konzipiert wurden. Die systematische Veränderung des Regierungshandelns der US-amerikanischen Administration unter Trump macht Harcourt an drei Maßnahmen fest: Natürlich zählt Harcourt die ehemaligen Generäle mit spezieller „counter-insurgency-Erfahrung auf, die Trump um sich sammelt, er schlüsselt die Budgetpläne der Administration auf (Erhöhung der Verteidigungsausgaben um zehn Prozent für 2018; Kürzung von Medicaid und anderen Gesundheitsprogrammen um 23 Prozent), er listet die Überwachungsmaßnahmen gegen muslimische US-Amerikanerinnen und Amerikaner auf, die Infiltration von studentischen Protestgruppen, die Militarisierung der Polizei und nicht zuletzt die Ankündigung Trumps, Guantanamo auch als Lager für US-amerikanische Häftlinge offen zu halten Harcourt entwickelt daraus ein gespenstisches Panoptikum umfassender Kontrolle. In diesem Szenario sind Unternehmen wie Fatzebook kein durch Regulierungen zu zügelnder Gegner, sondern im Gegenteil ein nützliches Instrument mit doppelter Dienstleistung für die Regierung. Heute ist nicht einmal mehr das nötig. Wir sind schon genug abgelenkt und unterhalten. „Das Skandalöseste an einem Skandal“, schrieb Simone de Beauvoir einmal, „ist, dass man sich daran gewöhnt.“ ###
|