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Das geheimnisvolle Haus

Von Lindloge über die Hofzufahrt zurück zur Dorfstraße nach rechts, am ehemaligen Hof von Windhorst, heute Fastenau vorbei. Erinnere ich da richtig einen kleinen Jungen, der, auf dem Boden sitzend, mit Hühnerkacke spielte und sie wohl auch für lecker Bonschen hielt, oder unaufhörlich „äähn – bum – bum – äähn – bum – bumm...“ plärrend auf dem Ackerwagen mitfuhr? 

Weiter in Richtung Schule, links in einem kleinen Wäldchen: Hier steht „mein Geheimnisvolles Haus“. K!

Ein Beispiel von Gefühls-Umdeutung, wobei sich viele dunkle und unscharfe Reflexe von Einfluss und Macht Außenstehender und durch sie aufgenötigter Innovationen in einer kleinen Gemeinschaft, unzureichend oder gar nicht kommuniziert, über deren Mitglieder und Eltern offensichtlich im Kopf eines Kindes in ein geheimnisvolles, verdächtiges, irgendwie gefährliches Bild verwandeln können.

Eschenhausen 21, 2009.

Wie ich heute der Dorfchronik „Unser Dorf Eschenhausen“ entnehme, ließ  ein Silberwarenfabrikant Wilkens aus Bremen an dieser Stelle 1904 ein kleines Jagdschloss bauen, mit dem ersten Strom-Generator im Keller, dem ersten Telefon, und später sogar der ersten Toilette des Dorfes!

Wilkens bezahlte auch die Materialkosten für die Ortsdurchfahrt von der Landes- zur Kreisstraße, also für "unseren" Schulweg. Seine fürstliche Geste, den Kindern des Dorfes, die bei einer der für ihn veranstalteten Treibjagden mitgehen „durften“, mit einer Tafel Schokolade, „damals etwas ganz Besonderem“, zu entlohnen, haben spätere Jagdpächter leider nicht übernommen. Jedenfalls kann ich mich an nichts, auch nur annähernd „Besonderes“ nach meiner Teilnahme an einer Treibjagd, irgendwann Mitte der Fünfziger erinnern...

Ein Kommerzienrat Mackensen, Glycerinfabrikant in Düsseldorf und Wilkens Schwiegersohn, übernahm das Haus des Erbauers inklusive Eschenhauser Jagd und setzte den Berufsmusiker Felstehausen als Aufseher ein. Dessen Enkel lebt heute hier, als Nebenerwerbslandwirt, in einem Haus, das immer noch Kallemanns "geheimnisvolles Haus" ist.

Für eine derartige Romantisierung braucht es also nicht mal eines von ganz weit oben gelenkten Pfarrers oder einer Beowulf-"Schund-Groschen-Heftchen"-Lektüre. 

Füchse, Hasen, Rehe und Wildschweine werden heute in Eschenhausen von anderen erschossen.


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