.

12
Herbert Schmidt &
Eschenhausen 23 

Eschenhausen 23, ein „junger“ Mann öffnet die Tür und bittet uns ins gute Zimmer. HERBERT Schmidt, einer vom Typ „wird nie älter“, genau so habe ich ihn in meiner geistigen Ablage aus dem letzten Jahrhundert. Den Jahrgang 1938 sieht ihm keiner an, und mit seinem Passfoto von vor über fünfzig Jahren, das ich bei mir habe, würde er heute bei jeder Polizeikontrolle ohne Beanstandung durchkommen.

Im Esszimmer sind Kaffee und Kuchen aufgefahren. Wenn Elke als wahre Kaffeetante den Kaffee lecker findet, dann ist das eine Auszeichnung. Der leichte Käsekuchen trifft ja bereits vollkommen meinen Geschmack, noch mehr aber die traditionelle Eschenhauser Spezialität, der Butterkuchen: Eins A, bringt Eschenhausen der Fünfziger Jahre auf meine Zunge zurück. Und eine ganz aktuelle Erkenntnis: Der perfekte Hausmann Herbert. 

Herbert erzählt über die diversen Umbauten am Haus. Der hintere Teil des Stalls, dessen Fundament durch Baumwurzeln angehoben war, wurde durch Garagen ersetzt. Der gesamte erste Stock ist jetzt Wohnung der Kinder und Enkel. Die alte Treppe vom Flur aus dorthin, der Weg zu „unserer“ Wohnung, ist nur noch Attrappe. Die Trauer um den Verlust seiner zu früh von ihm gegangenen Frau Hannelore scheint ab und zu durch, lähmt ihn aber wohl Gott-sei-Dank nicht mehr. 

„Ja, gehen wir doch mal raus in den Garten und den Wald. Der gehört uns ja jetzt, zusammen mit dem Wiesendreieck dahinter, seit dem Flurbereinigungsverfahren im Zuge des Baus der Bassumer Umgehungsstraße. Der Wald war ja ursprünglich Besitz vieler Bauern von Eschenhausen, jeweils zwei Baumreihen von einem und die nächsten vom anderen... K!

Hier stand „Euer“ Schuppen, und das war die Eiche und die Buche, zwischen denen euer Vatel das Haselnuss-Stangen-Reck gebaut hatte,“ erzählt Herbert, als wäre es gestern.

„Hier in der Mitte stand mal eine Buche, der größte Baum des ganzen Waldes. Bei einem starken Sturm ist sie umgefallen. Sie war von innen verfault.“ 

Im Wald jagen zwei Katzen keifend und wie der Blitz auf einen hohen Baum und finden nur gaaanz langsam wieder runter. Hier liegen mannshohe Reihen abgeschnittener Ästen: „Die sind übrig von einer großen Fällaktion vorne am Haus. Die Bäume waren zu groß geworden und warfen zu viel Laub und Schatten in den Garten“.

Herbert in seinem Garten

Und was für einen Garten er da geschaffen hat. Die ganze ursprüngliche Weide von Schmidts Kuh, der ich vom Plumpsklo im Stall aus gerne beim Wiederkauen (der Kuh!) zugeschaut habe, ist nun Nutz- und Ziergarten.

Fünf Teiche, eine Vielzahl von Pflanzenarten blühen hier, ein offensichtlich perfekt gepflegtes Biotop mit Gerätehaus, Gewächshaus, und einem größeren Gartenhaus für Herbert, zum Meditieren an der Eschenhauser Beeke.

„Das hab ich alles in den sechziger Jahren gepflanzt“, sagt er, untermalt durch Kindergeräusche vom ersten Stock des Hauses. „Das waren die Enkel?!“ – Pause – „Ja!“ – Pause – „Einer...“. 

Zurück über die geschützte Terrasse zwischen ehemaligem Stall und Wohnhaus. Irgendwo davor hatte Vatel "Bella" beerdigt, die betagte Dackelhündin von Frau Schmidt, auf deren Grab Reinhard und Kallemann ein kleines Holzkreuz steckten. Ein kindlich christlicher Schmuck, wohl mehr Ausdruck unseres schlechten Gewissens, hatten wir doch Bella schon mal in einen Sack gesteckt und ihr dabei einen Reißzahn ausgebrochen.

Nicht weit davon entfernt traf einmal ein Steinwurf eine Henne so, dass sie wie aufgezogen im Kreis lief und einer von uns bemerkte: Die hat wohl Kreislaufstörungen.

Noch ernsthaft beeindruckender war das Erlebnis, nur ein paar Meter davon entfernt, vor Schmidts Holzschuppen, als ein Huhn, das soeben auf dem Holz-Klotz, der sonntäglichen Suppe geweiht, per Hacke-Beil seinen Kopf verloren hatte, erschreckend „normal“ davon flatterte, dann aber offenbar oben mit unten verwechselte und doch noch seiner Bestimmung entgegenstürzte...

Traute Erinnerungsstücke einer idyllischen Kindheit auf dem Lande, fernab verderbter Laster-Schluchten der Großstädte. 

Oh-oh - um spätestens halb sechs sollte ich doch bei Marianne Diedrichs, Eschenhausen 34 sein, um die erinnerten Namen vom Schulfoto abzuholen.

Nichts wie hin. Günter und Marianne waren gottseidank noch zuhause und die Namensliste war fast vollständig ausgefüllt, riesig!

Danke, Mariannne!


Bilder:

Bei Herbert Schmidt


nach oben

weiter zu: 13 - Die Ziegen "Lotte"

zum Menü "Eschenhausen 2009"

zurück zu ekdamerow