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11.2
Unsere erste Schule
 

Am Haus des ehemaligen Schreiners Peters, Nr. 22, scharf links und kurz hinter dem Hof der Familie Bolte, Nr. 11, den in den Fünfzigerjahren die Familie Krupp gepachtet hatte, an Günter und Marianne Diedrichs Haus Nr. 34 vorbei, nach rechts auf die Albringhauser Straße und nach ein paar Metern gleich wieder links ab, verborgen hinter einem kleinen Wäldchen, kommen wir zu dem Haus, das unsere erste Schule war.

„Die schönstgelegene Schule im Landkreis Grafschaft Hoya“! Damit hat der Schulrat ihres letzten Lehrers Klaus Menke vollkommen recht; Für mich war es die schönste Schule der Welt.

So ist die schönste Schule der Welt in meiner Erinnerung.
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Hier wurde noch bis 1968 unterrichtet. Nach ihrer Auflösung wurde das Schulgebäude umgebaut und heute wohnen hier drei Familien. K!

Helma zeigt das alte Toilettenhaus, „Hier kannst Du noch das Fachwerk sehen und da, an der Rückseite sind noch die Halte für die Tür zur Mädchentoilette.

Und da ist "De Bonschenboom.“

De Bonschenboom und das ehemalige Backhaus.

Ich übersetze mal, wenn ich darf, aus dem Buch

„Unser Dorf Eschenhausen“,
Helma Seifert, Otto-Carl Hoffmann, Klaus Menke, Brigitta Wortmann,
TEAMDRUCK Henning Tasto,
November 1999"

Der Bonbonbaum 

Bei unserer Schule war auch ein kleines Gehölz. Wenn die A-B-C-Schützen eingeschult wurden, gab es etwas Besonderes. Eine Schultüte gab es zu der Zeit noch nicht, dafür hatten wir einen „Bobonbaum“. Er stand gleich hinter dem Backhaus.

Die großen Jungs stopften sich die Taschen voll mit Bonbons und stiegen dann in den Baum (ein Walnussbaum). Sie (die Erstklässler) mussten tüchtig schütteln, dass die Bonbons nur so von oben herunter fielen.

Komisch, die waren alle in Papier eingewickelt, aber danach kuckten die Lütjen (Kleinen) gar nicht. Sie hatten nur eins im Sinn, ihre Taschen voll zu kriegen. Sie sahen auch nicht nach oben, nee, dazu hatten sie keine Zeit. Sie glaubten fest daran, dass die Bonbons auf dem Baum wachsen.

Die größeren Mitschüler sagten auch nichts. Das hatte man ihnen zum Schulanfang ja auch angesnackt (weisgemacht). Ist doch nichts Schöneres als so einen Kinderglauben (?!).

Die Jungs auf dem Baum waren mitunter auch ein bisschen gemein. Sie schmissen den Lütjen genau auf den Kopf. Da hat aber keiner geweint, das gehörte einfach dazu. Und geschmeckt haben die Bonbons, mm, ganz famos! So was Feines gab das im Laden ja nicht zu kaufen!

Tja, der Baum steht heute noch, aber Bonschen wachsen da schon lange nicht mehr drauf!“...

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Schade! Nicht weil jemals ein Kind allen Ernstes nachhaltig daran geglaubt hätte, sondern weil es den ersten Eindruck von etwas beängstigend Neuem im Leben von Sechsjährigen mit etwas Süßem verband und damit emotional erträglich machte. Ist doch durchaus sehr „innovativ“ – über ein halbes Jahrhundert her!

Das "Haus" neben dem Bonschenbaum, das ursprünglich Backhaus war, muss später zur Garage für Lehrer Königs erstes Auto umgewidmet worden sein, wie Helma vermutet. 

Die Eschenhausener Schule war eine sogenannte Zwergschule[, im Amtsdeutsch eine ungegliederte, einklassige Schule.

Das war weder im körperlichen noch im übertragenen, geistigen Sinne despektierlich gemeint, etwa als eine Schule für Zwerge, sondern als eine Schulform, deren Einzugsbereich, meist auf dem Land und meistens aus ein oder zwei Dörfern bestehend, so zugeschnitten war, dass sie von allen Kindern zu Fuß erreicht werden konnte.

Was für ein Luxus für Schulkinder 2.0 und vor allem auch für deren Eltern. 

Zur Eschenhauser Schule gingen die Kinder von Eschenhausen und aus dem Nachbardorf im Südosten, von Schorlingborstel. Unser Lehrer war der Herr König, und unsere Klasse, in der er vom ersten bis zum achten Schuljahr alle Kinder unterrichtete, war ein großer Raum mit viel Platz zur Decke und noch mehr Platz von der ersten Reihe bis zur Tafel.

Die Bodendielen rochen nach der Imprägnierung (Karbolineum?). Der Klassenraum hatte genau so viele Bankreihen wie Schülerjahrgänge mit einem Gang in der Mitte. Auf der rechten Seite saßen die Jungs und links die Mädchen, oder umgekehrt. 

Ich hab dort viel gelernt; Neben Lesen, Schreiben und Rechnen zum Beispiel auch,

- wie man eine Quitte von Birnen unterscheidet,

- dass man auch durch das Schaufeln von überraschend leichten porösen, rußigen Steinchen (Koks) und nicht nur durch Strauchholz-Hacken, Totholz-Sägen und Aufstapeln zu Holz-Mieten warm durch den Winter kommen kann,

- wie man einen Groschen durch den Tisch haut,

- wie man das schöne Lied singt: „Wenn wir schaun, schaun, schaun / Übern Zaun, Zaun, Zaun / In das schöne Land Tirol,...“ und

- den mathematischen Dreisatz: Zwei Arbeiter brauchen für eine Mauer zwei Tage. Wie lange brauchen dafür drei Arbeiter? Antwort: Drei Tage...

Aber wenn es stimmt, was Albert Einstein gesagt haben soll, dass Bildung das sei, was übrig bleibt, wenn man alles, was man in der Schule gelernt hat, vergisst, und Bildung nicht darin besteht, Fässer zu befüllen, sondern Flammen zu entzünden, wie es Heraklit gesagt haben soll, dann war zumindest "meine" Zwergschule Eschenhausen mit ihrem Lehrer König viel besser als ihr Ruf. Vor allem bei den Pädagogen, die mit der "Entsorgung" dieser humanen Schulform und danach mit Unmengen mal mehr, meist weniger sinnvoller Innovationen ihre Karrieren in die "Höhen" der Schulbürokratie, weg von den "Tälern" des direkten Umgangs mit Kindern "begründet" haben. 

Helma: „Hier war der Spiel- und Fußballplatz, jaaa“ (Helma singt ihr "Ja" oft, erstes a:hoch, zweites a: tiefer, drittes a: dazwischen), und hier kletterten die Damerows in den großen Pausen schon mal, nicht selten zum Missfallen der Frau König, in den Bäumen herum. Sie konnte das von der Küche aus beobachten, alldieweil ihr Gatte Chrsitel in seinem Zimmer die Zeitung las. Deren Umfang, oder den Unterricht beflügelnde Inhalte(?), müssen wohl die jeweilige Länge der Pausen bestimmt haben, mir Sicherheit keine schulbürokratischen Vorschriften.


Fotos:

Unsere erste Schule


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