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Der Findling und die Eiche
& wie Reinhard und Muttel sich trafen

Zurück zur Osterbinder Straße und über sie hinweg, zur Eschenhauser Dorfstraße. Vorbei an der kleinen Tangente, an der bis in die frühen Fünfziger Jahre nur Eschenhausen 23, Schmidts Haus und Eschenhausen 33, das Elternhaus von Helma und Renate Pabelitzki lagen, unsere damaligen direkten Nachbarn. K!  

Da wo diese Tangente auf die Dorfstraße trifft, stand, zur Freude aller unserer Schweine "Macker", von denen wir jedes Jahr eines im Stall hinter Schmidts Haus zur Schlachtreife fütterten, eine kapitale Eiche. Deren Früchte veredelten allherbstlich zuerst die Diät und dann die Speckschicht dieser Macker.

Da hinten links stand die Eiche; Hier vorne rechts der Milchbock.

An dieser Eiche lag zur Fahrbahn hin ein Findling, der als Abstandshalter für abbiegende Fahrzeuge diente. (Ein Rammstein, in unseliger Namensgleichheit mit einer pubertären Bäänd in den neuen Bundesländern). Zwischen diesem Findling und der Eiche war gerade mal Platz für einen Einpersonen-Fußsteig.

Auf unseren Fahrrädern unversehrt durch diesen Zwischenraum zu navigieren, war ein andauernder Wettbewerb, besser: Der „running gag“ zwischen Reinhard und mir. Ohne Freilauf war es nahezu unmöglich, den Stand der Pedale steinseitig so im Vorhinein zu extrapolieren, dass sie nicht auf ihm aufsetzte und Blechesel nebst Reiter zu Fall brachte. Mit zunehmendem Tempo stieg das Risiko natürlich exponentiellst.  

Die Bestrafung des einzig wahren Schuldigen an einem zwangsläufig nicht seltenen, kapitalen Sturz wurde meist mit wildem Trampeln auf dem am Boden liegenden Stahlross vollzogen. Den gestürzten Reitern sollen dabei nicht selten Tränen des Mitgefühls(?) entflossen sein. Die Folgen einer derart verbogenen Pedale, die bei jeder Umdrehung deutlich vermehnliche heavy-metal-Begegnung mit dem Rahmen, hielt darüber hinaus die schmachvolle Erinnerung sowohl für den ritterlichen Helden, als auch die mitfühlende Nachwelt wach.  

Einige Meter weiter stand kurz vor der Gabelung der Dorfstraße links noch ein Milchbock, ein gut meterhohes, hölzernes Podest, auf dem die Bauern ihre gefüllten Milchkannen abstellten, die dann alltäglich vom Milchkutscher auf seinem Zwei-PS-Milchwagen eingesammelt und zur Molkerei gefahren wurden. Solche Bestand-Teile bäuerlicher Infrastruktur gibt es natürlich heute längst nicht mehr. K!

Links kommt man hier zu "meinem" „Tommy“ Wald (dazu später). Rechts geht es entlang einer Kuhweide, wo sich die Begegnung einer ganz besonderen Art zwischen Reinhard und Muttel zugetragen hat. Reinhard war auf Schulausflug und seine Rückkehr hatte sich derart verspätet, dass die Muttel besorgt aufs Rad gestiegen war, um im Dunkeln Richtung Schule, zur anderen Seite des Dorfes zu radeln. Straßenbeleuchtung war zu dieser Zeit in Eschenhausen noch kein Gedanke. Wozu auch?!

Von hier kam Reinhard. Links in der Weide lagen die Kühe... und Muttel war sehr entgegenkommend.

Just an dieser Stelle lagen bei Büchsenlicht (Vollmond?) Kühe dampfend in der Weide und zogen den Blick der Muttel auf sich – ebenso wie den von Reinhard, der auf dem Flüsterbelag des Sandweges in entgegengesetzter Richtung auf die Muttel zu radelte, um sich in zirkusreifer Vollendung, Vorderreifen exakt an Vorderreifen, so zu treffen, dass beide, die eine rechts, der andere links, oder umgekehrt, in einer Luftrolle vorwärts, ohne ernsthafte Blessuren, an einander vorbei und zum Stillsitz zu kommen.

Die Sorgen einer Mutter hatten sich so in einer Körperumdrehung um die Querachse erledigt; Die Entfernung der „Achter“ aus den Vorderrädern hat etwas länger gedauert.


Bilder:

Eiche mit Findling & Reinhard trifft Muttel


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