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31. Mai 2013 Graffiti - Das Schlimmste, das dieser Welt zustoßen konnte Kino heute - Billigere Bilder, schwächere Töne einer Wegwerfkultur DAVID LYNCH MICHAEL SAUR: Viele wichtige Entscheidungen für einen Film werden heute vom Publikum gefällt. Newcomer in Hollywood wie Amazon oder Netflix machen sogar Zuschauerumfragen, bevor ein Dreh beginnt. Solche Umfragen sind meistens Unsinn. Dino De Laurentiis ließ Blue Velvet damals in einem Kino testen, wo sonst Filme wie Top Gun mit Tom Cruise liefen. Es war also ein Top Gun-Publikum, das die Testkarten ausfüllte das Ergebnis war verheerend, das schlimmste Screening, das Dinos Leute je gesehen hatten. Aber der Film hat sich am Ende doch für ihn gelohnt. Ronnie Rocket, ja. Ich hatte nie das Gefühl, dass die Zeit reif für ihn war. Ich habe ihn nicht aufgegeben. Aber Ronnie Rocket spielt in einer Industriewelt der Fabriken und der rauchenden Schornsteine. Diese Welt war in den Fünfziger- und Sechzigerjahren noch sehr lebendig. Dann kam dieses elende Graffiti auf ziemlich das Schlimmste, was dieser Welt zustoßen konnte. Ist Graffiti nicht auch Malerei und damit eine Form des künstlerischen Ausdrucks? Nein, Graffiti hat die Welt der Industriearchitektur, der faszinierenden Fabrikgebäude ruiniert. Man kann nicht mehr in diese Zeit zurückgehen. Sind Sie nostalgisch? Ich verspüre eine gewisse Sehnsucht nach den Fünfzigerjahren. Das Leben schien so optimistisch und hoffnungsvoll, die Autos sahen fabelhaft aus und es war die Geburtsstunde des Rock’n’Roll. In den Sechzigerjahren wurde das Leben dann düsterer. Es scheint dass heutzutage alles billiger wird. Die Bilder sehen billiger aus, die Töne klingen schwächer. Wir leben in einer Wegwerfkultur. Es gibt Menschen, die auch heute noch Regisseure wie Federico Fellini entdecken, die solche Filme sehen wollen und sich fragen, warum es die nicht mehr gibt. Große Filme werden immer ihr Publikum finden. Aber die meisten Leute sind eben ganz zufrieden mit dem anderen Zeug, nicht wissend, was sie versäumen. In einem Internet-Clip bezeichnen Sie das iPhone als „fucking telephone“, weil man darauf nicht ernsthaft Filme anschauen könne. Einige Filme, die kein großes Publikum finden, können durchaus zu Hause vor dem Fernseher funktionieren. Aber sicher nicht auf einem Telefon. Da stimmt dann nichts mehr. Nicht der Sound, nicht das Bild, nicht die Umgebung. Man kann über einen Telefonbildschirm nicht in einen Film eintauchen. ### aus: Interview: MICHAEL SAUR 30. Mai 2013 Fair produziertes Smartphone? Die niederländische Stiftung Waag Society möchte ein FairPhone bauen, das im Internet für 325 Euro vorbestellt werden kann. Mit diesem Smartphone will sie zeigen, dass es mit Rohstoffen gebaut werden kann, die weder die Umwelt zerstören, noch Kriege oder Kinderarbeit unterstützen. Zudem soll auf gerechte Arbeitsbedingungen in der chinesischen Fabrik geachtet werden. Die Stiftung verspricht Transparenz über ihre Stückliste, Kostenaufschlüsselung und ihre Hauptlieferanten. Mindestens 5.000 Käufer müssen ein Gerät ordern, damit es produziert wird. Aktuell fehlen noch gut 2.000 Vorbestellungen. Das zeigt, wie klein der Markt für Gerechtigkeit letztlich ist. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland fast 16 Millionen Smartphones verkauft. Fair produziert wurde davon kein einziges. ### Siehe auch DER SPIEGEL ### aus: von MIRJAM HAUCK 29. Mai 2013 An: forum@sueddeutsche.de von JENS-CHRISTIAN RABE ### "Kritiker müssen lieben, wovon sie sprechen" Was kann J-C Rabe Fragezeichen. Was er wohl mag ist Indiepop und Loops’n’Beats. Rock’n’Roll mag er nicht gelinde gesagt. Was aber Herr Rabe mag, interessiert mich, als Leser der SZ ganz ehrlich?: nicht die Bohne. Mich interessiert in einer solchen Zeitung eine professionelle Kritik oder ein entsprechender Konzertbericht, nicht zu verwechseln mit Lobhudelei. Der "Konzertbericht" über "Bruce Springsteen in München" zeigte mir, leider zum wiederholten Male, dass Herr Rabe Kritik nicht kann nicht mal auf dem Niveau soliden Handwerks. Ich empfehle ihm die "12 Gebote für Kritikerinnen und Kritiker" von Georg Seeßlen. In gebotener Kürze nur ein paar Anmerkungen daraus: „Wer etwas zu verkünden hat, soll Prediger werden. Wer etwas „beizubringen“ hat, sollte es mit Pädagogik versuchen. ... Ein Kritiker oder eine Kritikerin müssen lieben, wovon sie sprechen, was sie beurteilen, was sie uns aufzuschlüsseln haben. Eine gute Kritik enthält eine Liebeserklärung zwischen Vernunft und Ästhetik. ... Eine Kritik muss ihrem Gegenstand in jeder Hinsicht angemessen sein. ... Es ist furchtbar, wenn sich ein Kritiker aufschwingt, ein Kunstwerk zu behandeln, dem er so offensichtlich nicht gewachsen ist. "... kritisiert nicht, was ihr nicht verstehen könnt ...", singt Bob Dylan in "The Times They Are A-Changin’". Eine noch schlimmere Kritikersünde wäre, etwas zu kritisieren, weil man es nicht versteht". Karlheinz Damerow 28. Mai 2013 Reichensteuern Sozial gerecht und ökonomisch vernünftig ### Die Schröder- und die Merkel-Regierung senkten die Steuersätze der Reichen, erlaubten das Kleinrechnen der Gewinne und drückten bei Steuerflucht die Augen zu. Nun wollen SPD, Grüne und Linke große Einkommen und Vermögen stärker besteuern. Drei von vier Deutschen finden das richtig. Der Spitzensteuersatz soll angehoben und der Tarifverlauf geändert werden. Da das durchschnittliche Arbeitseinkommen bei 30.000 Euro im Jahr liegt, träfe die Erhöhung, die die Grünen (ab 70.000) und die SPD (ab 78.000) vorschlagen, weniger als fünf Prozent der Einkommensteuerpflichtigen. Ähnlich bei der Vermögensbesteuerung. Das reichste Prozent in Deutschland besitzt mehr als ein Drittel des gesamten Nettovermögens, während die Hälfte der Bevölkerung hingegen fast leer ausgeht. Eine geplante Vermögensbesteuerung trifft also weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Gleiches gilt für höhere Steuern auf Kapitalerträge und große Erbschaften. Ein Verarmungsprogramm für den Mittelstand sieht anders aus. Das reichste Zehntel bezahlt heute mehr als die Hälfte der Einkommensteuer. Dies sieht schon anders aus, wenn man weiß, dass diese Gut"verdiener" stolze 36 Prozent des Einkommenskuchens für sich beanspruchen. Zudem macht die Einkommensteuer nicht einmal ein Drittel aller Steuereinnahmen aus. Ertragreicher sind die Verbrauchsteuern, die besonders Geringverdiener belasten. Im vergangenen Jahrzehnt wurden Topverdiener, Unternehmer, Vermögende und reiche Erben entlastet. Multimillionäre führen weniger als 30 Prozent ihres Bruttoeinkommens an den Fiskus ab. Vor der Jahrtausendwende war es noch fast die Hälfte. Die tatsächliche Steuerbelastung von Unternehmer- und Kapitaleinkommen liegt aktuell bei niedrigen 20 Prozent. Und Vermögen werden nur halb so hoch wie im Schnitt der anderen Industriestaaten besteuert. Selbst der Club der Industrieländer (OECD) kritisiert, dass der deutsche Sozialstaat ungewöhnlich stark über kleine und mittlere Einkommen finanziert wird. Doch was hilft uns mehr Steuergerechtigkeit durch Reichensteuern, wenn anschließend die Wirtschaft leidet und Hunderttausende Jobs gefährdet und so die Staatskassen geleert werden. Die Grünen wollen aber Betriebsvermögen erst oberhalb von zwei Millionen Euro besteuern. Betroffen wären nur zwei Prozent aller registrierten Unternehmen. Entscheidend für einen handlungsfähigen Staat ist das Verhältnis von Steuereinnahmen zur Wirtschaftsleistung. Diese Steuerquote ist heute niedriger als vor 40 Jahren. Gleichzeitig sind die öffentlichen Schulden auf einem Rekordstand. Die Schulden wuchsen aber nicht, weil der Staat immer mehr Wohltaten verteilte. Im Gegenteil: Bis zur Finanzmarktkrise standen die Kassenwarte auf der Ausgabenbremse. Die Schulden stiegen aufgrund der Steuergeschenke und der Bankenrettung. Jetzt zwingt die Schuldenbremse Bund, Länder und Kommunen, die Ausgaben zu kürzen. Dadurch steigt die öffentliche Armut. Die öffentlichen Investitionen umfassen nur noch 1,5 Prozent unserer Wirtschaftskraft. Für Bildung gibt Berlin jährlich 65 Milliarden Euro weniger aus als unsere skandinavischen Nachbarn. Natürlich muss der Staat sorgsam mit dem Geld seiner Bürger umgehen. Laut Bundesrechnungshof beschränkt sich die „Misswirtschaft“ aber auf ein Prozent aller öffentlichen Ausgaben. Zudem gibt es auch in der Privatwirtschaft milliardenschwere Fehlinvestitionen. Wenn die Politik die Zukunft gestalten will, muss sie die Steuern erhöhen. Nur so können Schulden abgebaut werden, ohne auf notwendige Investitionen in Bildung, Gesundheit, Klimaschutz und Infrastruktur zu verzichten. Reichensteuern garantieren, dass es dabei sozial gerecht und ökonomisch vernünftig zugeht. ### aus: von DIERK HIRSCHEL, 27. Mai 2013 "Farbphotos machen Eindruck Schwarz-Weiß ist einfach besser ### Wien, 22.-24. Mai 2013, Ein paar Aussagen: - „Die weiße Farbe schickt die meisten Lichtstrahlen zurück. Daher wird ein schöner Körper desto schöner sein, je weißer er ist“ (Johann Winckelmann, „Geschichte der Kunst im Altertum“, 1764). - Im 20. Jahrhundert ist das Farbige ordinäre Nachahmung der Natur, gerade gut, den Wilden, Ungebildeten und Kindern Eindruck zu machen. - Intellektualisierung und Farbempfindung stehen offenbar in einem sehr heiklen Verhältnis zueinander. Schwarz-Weiß, die Abwesenheit von Farbe, steht danach für Reinheit und Ordnung. - Die alte(?) Vorstellung, Farbe sei emotionalisierend, findet in den späten sechziger Jahren in den Fotos aus dem Vietnamkrieg einen Beleg: - Was Gefühle erregt, steht im Verdacht, die Wahrheit(?), die von der Vernunft erkannt wird(?), zu verdunkeln. - In „Moby Dick“ widmet Herman Melville der „Weiße des Wals“ ein eigenes Kapitel. Sie erinnert ihn an die „herzlose Leere und Unermesslichkeit des Universums“, und er hält es auch für möglich, dass alle übrigen irdischen Farben „nur arglistige Täuschungen sind“ (da mag wohl 'was dransein, außer an "arglistig"*). - Die intellektuelle Leidenschaft für die Schwarz-Weiß-Fotographie scheint etwas von diesem platonisierenden Blick(?) bewahren zu wollen. (Siehe auch: Platonische Liebe) ### Farbig erscheinen uns mehr oder weniger reine Ausschnitte aus dem Spektrum elektromagnetischer Wellen, die wir als Licht wahrnehmen können. Die Wahrnehmung „Farbe“ ist ein Auswertungs-Artefakt unseres Gehirns. Ein Schwarz-weiß-Bild besteht ausschließlich und in allen Teilen aus sämtlichen Wellenlängen des Lichts, was vom Gehirn als "Weiß" bezeichnet wird. Seine Strukturierung, ergibt sich aus der Übersetzung aller „farbigen“ Bildteile und Helligkeitsunterschiede in ein Intensitäts-Kontinuum weißen Lichts von „kein Licht = Schwarz“ bis „maximal Licht = Weiß“ und allen Abstufungen von "Grau" dazwischen. Wer einmal bewusst wahrgenommen hat, welch begeisternd feinen Grauton ein roter Gegenstand in einem Schwarz-weiß-Foto ergibt, der wird nachvollziehen können, dass das Aussagenpaar: “ Farbe = Gefühl“; „Schwarz-Weiß = Vernunft“ mit viel größerer Berechtigung lauten müsste: „Schwarz-Weiß = Vernunft und Gefühl!"; „Farbe = Signalträger in biologischen Systemen" (wie etwa UV-reflektierende oder absorbierende, dem Menschen meist weiß erscheinender Blütenteile, die Bienen zum Besuch motivieren*). Derartige und ähnliche Wirkungen brauche ich absolut nicht, wenn ich zum Beispiel Filme wie „Nosferatu“ von Murnau, oder „Dead Man“ von Jim Jarmusch genieße. ### aus: von STEPHAN SPEICHER 26. Mai 2013 Wenn ein Künstler der Masse gefallen will, ist er am Arsch Ich mag keinen Nationalismus. Meine Herkunft liegt zwischen den Schenkeln meiner Mutter Jahrgang 1971, wuchs in England auf. Als Jugendliche wurde sie von Helmut Newton entdeckt und zog nach Paris, wo sie unter anderem für Chanel und Gaultier modelte. Seit den Neunzigerjahren arbeitet sie erfolgreich als Schauspielerin. ### Wir leben in einer konventionellen und konformen Zeit. Die Dekadenz, die ja sehr poetisch sein kann, hat unsere Gesellschaft verlassen. Pasolini, Schroeter, die waren dekadent. Heute muss immer alles von allen verstanden werden. Die Leute haben Angst vor starken Meinungen. Jeder will gemocht werden. Jeder muss in seiner Zeit zurechtkommen, aber glauben Sie, dass Kubrick sich darüber Gedanken gemacht hat, ob man ihn mag? Der war vertieft in seine Filme. Der Rest war ihm egal. Die Leute heute wollen der Masse gefallen. Wenn du das willst, bist du als Künstler, Entschuldigung, am Arsch. Es ist wichtig, dass dich Leute nicht mögen. Ich bin heute immer noch anders als die meisten Leute, zumindest als die meisten in Frankreich. Ich bin nicht absichtlich unkonventionell, aber mein Geschmack ist abseitig. In England mag man eine gewisse Exzentrik. Auf gewisse Weise gehört man natürlich in das Land, in dem man lebt oder arbeitet. Das wäre bei mir Frankreich. Aber ich sage lieber, dass meine Herkunft zwischen den Schenkeln meiner Mutter liegt. Ich mag keinen Nationalismus und auch nicht, als Künstler einem Land und einer Kultur zugeschrieben zu werden. Ich fühle mich als Europäerin. ### aus: Süddeutsche Zeitung, 25. Mai 2013 25. Mai 2013 Landwirte bekommen Geld für das Einhalten von Gesetzen Die kleinen Bauern gehen unvermindert ein, ### Ein deutscher Landwirt bekommt derzeit im Schnitt 330 Euro pro Hektar von der EU. Um in den Genuss dieser Direktzahlungen zu kommen, darf er nicht gegen geltendes Recht verstoßen und als Mindestmaß an Flächenpflege zum Beispiel alle zwei Jahre einmal mähen. Ein Bauer mit 1000 Hektar fruchtbarstem Boden erhält 330.000 Euro. Ein Kleinbauer mit 30 Hektar vornehmlich Grünland erhält nur 1000 Euro. Der Großbauer fährt auf dem fruchtbaren Boden mit wenigen Arbeitskräften und großen Maschinen regelmäßig Rekordernten ein. Der Kleinbauer erzielt kaum Erträge. Die Südzucker AG hat im vergangenen Jahr mehr als 2,3 Millionen Euro erhalten, weil sie traditionell viele Höfe betreibt. Mit 400.000 Euro war die RWE-Tochter RWE Power AG einer der größten Empfänger von Direktzahlungen in Nordrhein-Westfalen, weil sie Flächen, die nicht mehr für den Braunkohletagebau genutzt werden, eine Zeit lang selbst landwirtschaftlich nutzt, um sie dann mit Steuergeldern rekultiviert wieder an Bauern übergibt. Zuletzt überwies die EU 55 Milliarden Euro an Europas Landwirte, gut 40 Milliarden Euro davon in Form von Direktzahlungen. Das hat den Strukturwandel nicht aufgehalten. Jahr für Jahr geben kleine Betriebe auf und große werden immer größer. Momentan bekommen 20 Prozent der Betriebe 85 Prozent der Direktzahlungen. Diese 20 Prozent erhalten dies ohne einzige weitere Leistung, solange sie keine Umwelt- oder Tierschutzgesetze verletzen. Sie bekommen also allein dafür Geld, dass sie sich an bestehende Vorschriften halten. So könnte man auch Autofahrer dafür belohnen, wenn sie nicht bei Rot über die Kreuzung fahren. Agrarkommissar Dacian Ciolos möchte weg von dieser Gießkannen Förderung. Um das Wie wird heftig gestritten. Wer Wert darauf legt, dass es weiterhin neben großen auch kleine Höfe gibt mit Feldern, die von Bäumen, Hecken und Blühstreifen umsäumt sind, der wird nicht umhinkommen, den Landwirten auch in Zukunft Beihilfen zuzugestehen. Aber das Mindeste, was diese Reform erreichen muss ist, dass es die volle staatliche Unterstützung nur dann geben darf, wenn der Bauer mehr macht, als die Gesetze einzuhalten. Er muss etwas leisten, von dem Natur und Gesellschaft spürbar profitieren. Nur dann werden Europas Steuerzahler verstehen, wieso sie auch in Zukunft solche Milliardenbeträge aufbringen sollen. Zugleich darf man dann hoffen, dass sie die Arbeit der Bauern wieder zu schätzen wissen. ### aus: von: DANIELA KUHR 24. Mai 2013 Bildung und Einkommen hängen zusammen Ludger Wößmann ### Bildungsirrtümer - Kleine Klassen bedeuten nur in Extremfällen, wenn z.B. in Südafrika die Klassengröße von 80 auf 40 runtergebracht wird, bessere Lernergebnisse. Ob 15 oder 30 Schüler, kleinere Klassen bringen nichts, wohl weil die Lehrer den gleichen Unterricht geben, egal wie viele Schüler vor ihnen sitzen. - Dass der Gebrauch von Computern und bestimmter Lernprogramme sich positiv auf das Lernen auswirke ist ein Scheinzusammenhang. Kinder von Akademikerfamilien haben zwar früher Computer und Internet zuhause, sie schneiden aber nicht deshalb besser ab, sondern weil gebildete Eltern sie besser betüddeln und fördern. Zu viel Computernutzung wirkt sich eher negativ auf die Leistung aus. - Die Antwort auf die Fragen, "Was ist für die Gesellschaft am besten?" und "Was ist für mein Kind am besten" ist nicht immer dieselbe. Eine frühe Aufteilung der Kinder auf unterschiediche Schulformen hat keinen positiven Einfluss auf das Leistungsvermögen, aber die Chancengleichheit leidet sehr darunter. Je früher aufgeteilt wird, desto mehr bestimmt das Elternhaus, wo ein Kind landet. Ich bin vehement dafür, dass wir später aufteilen sollten. Fakten und Forschung - Gesamtschulen zusätzlich zu bestehenden Schulen bringen nichts. Nur wenn es wirklich nur Gesamtschulen gibt und alle Kinder sie besuchen, hilft das den begabten Kindern aus bildungsfernen Schichten. - Jedes zusätzliche Bildungsjahr bringt zusätzliches Einkommen. Es erhöht das Einkommen um sieben bis zehn Prozent. Wer vier Jahre studiert, verdient 40 Prozent mehr. - Bildung allein wirkt positiv auf die Gesundheit: Bildung verringert Schwangerschaften bei Teenagern, verringert Kriminalität. Bildung macht jeden Einzelnen produktiver, kreativer, innovativer. Ganz neu ausgedachte Produkte schaffen Arbeitsplätze, der Kuchen wächst und für alle ist immer mehr da. - Wenn deutsche Kinder so gut schreiben und rechnen würden wie die besten der Pisa-Studien, dann würde uns dies in den nächsten 80 Jahren Wohlstandsgewinne in Höhe von 13 Billionen Euro bringen. Das ist fünfmal so viel wie die deutsche Wirtschaftsleistung eines Jahres. - Unter Akademikern ist die Arbeitslosigkeit 2,5 Prozent, unter denen mit Lehre 7 Prozent und unter denen ohne Berufsabschluss 22 Prozent. In der Mittelschicht muss man niemandem beibringen, wie wichtig Bildung ist. Aber wie erreicht man bildungssferne Schichten? Mit Plakaten?: Wenn Sie wollen, dass Ihr Kind 40 Prozent mehr verdient, schicken Sie es länger zur Schule! - Nobelpreisträger James Heckman: - Die Chancen stehen und fallen mit den Eltern. Die wichtigen Entscheidungen fürs Leben werden in einem Alter gefällt, in dem der Einzelne noch zu jung ist, um selbst Verantwortung zu tragen. Bildung, die ein Mensch bis zu seinem 18. Lebensjahr genossen hat, ermöglicht ihm eine maximale persönliche Freiheit. Wurden die Entscheidungen vorher falsch getroffen, ist der Zug für diesen Menschen abgefahren. Schlussfolgerungen - Der Staat muss bis 18 durch Finanzierung mehr Verantwortung übernehmen. Es gibt einfach Eltern, die ihren Kindern die Lebenschancen verbauen. Bei der Universität ist das anders. Deutschland hat einen besonders hohen staatlichen Finanzierungsanteil bei der Uni und einen besonders niedrigen bei frühkindlicher Bildung bis drei. Das ist genau falsch herum. - Für den Kindergarten zahle ich Hunderte Euro im Monat und für die Uni nix, das ist abstrus. Die ersten Jahre sind so wichtig. Ob ein Kind Spielzeug hat uns sich Blumen anguckt oder ob es auf die Blume tritt und nur vor der Glotze sitzt, das merkt man bis in die vierte Klasse. - Luther hat viele Fürsten aufgefordert, mehr Schulen zu bauen, damit Jungs und Mädchen die Bibel lesen können. Protestanten haben so mehr in Bildung investiert, was sich irgendwann auch wirtschaftlich auswirkte. In den protestantischen Gebieten war die Alphabetisierungsquote und die Einschulungsquote sehr viel höher als in den katholischen Gebieten - und sie waren auch wirtschaftlich erfolgreicher. Das widerspricht der bekannten These von Max Weber, dass die Protestanten wirtschaftlich erfolgreicher sind, weil sie aufgrund ihrer Ethik mehr und fleißiger arbeiteten. Die Bildung macht den Unterschied, nicht die Religion oder die Ethik an sich. ### aus: Interview: ALEXANDER HAGELÜKEN und HANNAH WILHELM 23. Mai 2013 Langsamer fahr'n, fahr'n, fahr'n, Eine Fahrt über deutsche Autobahnen ist zweifellos spannender als ein Formel-1-Rennen - ebenso zweifellos aber auch viel gefährlicher. Erstaunlich ist, dass ein großer deutscher Automobilclub dies für absolut in Ordnung hält. Rainer Killi, München Erstaunlich? Unverantwortlich! Opportunistische Argumente wie: "Auf Landstraßen sterben (noch) mehr Menschen" und: "Arbeitsplätze in der Autoindustrie", sind Ausdruck reinsten Zynismus'. ### DIE abolut schönste Autobahnfahrt - und die sicherste: 2:53 - ... vor uns liegt ein weites Tal, die Sonne scheint mit Glitzerstrahl ... ### aus: Süddeutsche Zeitung, 23. Mai 2013 22. Mai 2013 Fußball spielen ohne Kurvenbild?! Das Team Choreo der Ultra-Gruppierung "The Unity" unter den Fääns der börsennotierten Profi-Abteilung des Fußballvereins Borussia-Dortmund ist "über alle Maßen frustriert". Auflagen und Einschränkungen der Europäischen Fußball-Union verhindern, dass sie beim Champions-League-Endspiel im Londoner Wembley-Stadion "zeigen, was zu leisten sie im Stande sind". Wegen "maßlos übertriebener Brandschutzauflagen und dem Verbot, den kompletten mittleren Tribünenrang in "Aktionen" einzubeziehen, ist kein "geschlossenes Kurvenbild" mehr möglich". Ja, ohne Kurvenbild! Wie kann das Spiel dann überhaupt noch stattfinden? Ohne Feuerwerk, ohne menschliche Ameisen, die sich auf Befehl bewegen. Wo wir doch alle so gespannt waren, zu erleben, was die Oberfääns mal wieder zu leisten im Stande sind. Schade schade, dass die Europäische Fußball-Union nicht das Massen-Gegröle unterbunden hat. Auf diese Sorte "Stimmung" werden wir also leider nicht verzichten dürfen. Aber: Ton 'runterdrehen; Je nach Reporter, kein allzu großer Verlust. ### aus: von SID (Sport Informations Dienst) 21. Mai 2013 Schon wieder J-CR! Bands wie Can, Neu!, Faust, Amon Düül II oder Popol Vuh befreiten Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre die Rockmusik von ihrem eigenen Drei-Akkord-Blues-Schema (soso) und indem sie mit minutenlangen Loops, monotonen Beats und futuristischen Synthesizer-Sounds experimentierten, bereiteten sie nicht nur den Boden für die heutige Indiepop-Musik sie waren vor allem auch Pioniere der elektronischen Musik. Auf dem Sampler finden sich allerdings auch brave Bands wie die Bröselmaschine und Sound-Schmeichler der Zeit wie Sergius Golowin, was Klaus Walter, einem zornigen, 58jährigen Veteranen? der deutschen Popkritik doch etwas weit ging, weshalb er in der Spex die schönen Sätze schrieb: „Bröselmaschine oder auch der Eso-Knallkopf Sergius Golowin wären auf einem Kuschelrock-Sampler besser aufgehoben als auf einem Krautrock-Sampler neben Can, Neu! und Conrad Schnitzler. Früher sagte man: Wegen Bröselmaschine wurde Punk von Can-Fans wie John Lydon erfunden.“ Was der zweite Satz des Herrn Walter zur behaupteten Berechtigung der Aussage des ersten beitragen soll, bleibt sein Geheimnis. Rotten singt Punk, weil er Can mag und Bröselmaschine nicht? Little egomaniac John Joseph L. be them three chords punkifex?! Wer persönliche Entwertungen wie „Eso-Knallkopf“ von sich gibt, disqualifiziert sich als ernstzunehmender Kritiker. Wer solch eine „Kritik“ zitiert und sie für „schöne Sätze“ hält, den kann nur entschuldigen, dass er sich zwischen den Zeilen als Techno- und Indiepop-Fään outet, für den die gesamte Musikgeschichte ohnehin nur einen Fluchtpunkt hat: Luuups und Biiiits in alle Ewigkeit. Nur gut, dass sich keiner der Musiker, vom "braven" Peter Bursch(!) über Holger Czukay bis Chris Karrer und viele, viele andere, an aberwitzigen Unterstellungen, „Befreier“ vom Blues und womöglich absichtsvolle Vorreiter der künstlerischen „Blase“ Techno gewesen zu sein, den kreativen Verdauungstrakt und die humanen Umgangsformen verdorben hat. ### aus: Süddeutsche Zeitung, 21. Mai 2013 20. Mai 2013 140 Jahre Levi’s Die Levis 501 ist die Urmutter der Jeans. Jede Generation bekommt die 501, die sie verdient. ### Levi Strauss gilt bis heute als Erfinder der Blue Jeans und die Levis 501 als Urmutter der Jeans. Christophe Winnock (Design und Merchandising, Levi’s-Herrenjeans, Europa): „Wir passen die 501 kontinuierlich den Bedürfnissen der Kunden an. Jede Generation bekommt die 501, die sie verdient.“ So wurde den Cowboys der ersten Generation die Niete im Schritt am Lagerfeuer zu heiß, die Niete verschwand. Dann zerkratzten die Nieten auf den Gesäßtaschen Reitsattel und Sitzmöbel, die Nieten wurden mit Soff überzogen. Auch die Passform unterlag dem Zeitgeist, mal ein wenig weiter, mal ein wenig niedriger im Bund. Schon in den Fünfzigerjahren wandelte sich die Jeans von ihrem Nutzen als Arbeitskleidung zum Symbol für Rebellion. In den Siebzigern wurden die „richtigen“ Jeans bestimmter Hersteller zur Designerklamotte und Luxusobjekt. Nach dem Riesen-Revival der 501 in den Achtziger- und Neunzigerjahren gab’s auch die 512 mit ausgestelltem Bein, die 639 als Röhre, die 525 mit Stretchanteil, die 626 als Karottenjeans ... Vom kommenden Herbst an wird es die „Revel“ geben, die mit ihrer „Liquid-shaping“-Technologie die Körperkontur der Frau haargenau nachzeichnet (Ohweia). Immer noch dabei ist die Levis 501 mit geschwungener Ziernaht auf der Gesäßtasche, rotem Schildchen und einem Etikett mit zwei Pferden, die an einer Jeanshose ziehen und sie auf ihre Belastbarkeit prüfen. Viele denken zwar noch „Levi’s“, wenn sie das Wort „Jeans“ hören, aber billige Jeans für jedermann gibt es überall, von Kik über H&M bis Zara. Die Rückbesinnung auf ihre Grundwerte: „Schutz bieten und Geld sparen“, könnte einem heute wieder wachsenden Wunsch nach Dingen entgegenkommen, die durch den eigenen Gebrauch personalisiert werden. Der Erfolg der Levi’s Vintage-Kollektion könnte so ein Ausdruck einer Gegenbewegung zur Wegwerf“kultur“ sein, der Sehnsucht nach langlebigen, unverwüstlichen Dingen, wie man an Firmen wie Manufactum oder am Wiedererstarken der Maßschneiderei sehen kann. In einem der „Flagship-Stores“, in Berlin, am Ku’damm, sitzt denn auch an manchen Tagen eine Schneiderin gleich im Schaufenster und kürzt zwar meistens Hosen, kann aber auch Flicken aufnähen und andere kleine Reparaturen erledigen. Den Weg der Nachhaltigkeit hat Levi’s schon seit 2010 mit der „Water<Less“ betreten, zu deren Produktion 30 Prozent weniger Wasser verschwendet werden. Nun gibt es die „Levi’s 501 Waste<less“, zwar in limitierter Auflage, aber zu 29 Prozent aus, aus rund acht PET-Flaschen, recyceltem Plastik. Es ist wohl tatsächlich so: ### aus: von ALEX BOHN 19. Mai 2013 150 Jahre SPD Die Menschen wenden sich ab ### Die SPD hat kein exaktes Gründungsdatum. Sie selbst beruft sich auf die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) durch Ferdinand Lassalle, die am 23. Mai 1863 im Leipziger Pantheon stattfand. ### Sitzung des Ortsvereins Leipzig Südost in der Gaststätte Hopfenspeicher. Richard Wilhelm steht auf und sagt: „Ich habe am 23. April Geburtstag, und da habe ich gedacht, ich nutze den Tag und trete in die SPD ein“. Lauter Beifall. Wilhelm wirkt, als wäre er gerade im Willi-Brandt-Haus aus dem 3D-Drucker gelaufen. Der Mann mit der Mitgliedsnummer 80042927 ist 24 Jahre, Jurist und im Süden Thüringens zu Hause. Er sagt, dass er dankbar sei für die Möglichkeiten, die er in diesem Land habe. Das viele Schimpfen überall könne er nicht mehr hören, weil er eine gegenläufige Wahrnehmung habe: Uns geht es doch verdammt gut, oder? Uns. Wilhelm sagt: „Es geht bei den Parteien heute zu oft darum, spezielle Zielgruppen und Probleme anzusprechen. Es wird einem überall vorgelebt, dass es immer nur um mich, um das Vorankommen des Einzelnen geht. Deswegen wenden sich die Leute ab, von der Politik und voneinander, und das macht mir Angst.“ Es dürfe nicht nur um die da oben gehen, Alle sollen mit. ### aus: von CORNELIUS POLLMER 18. Mai 2013 Zwischen Marburg und Herborn: ### Als Marion zum ersten Mal wagte, eine Hose anzuziehen, war sie Einunddreißig. Sie wusste: Ich darf das, eine Hose tragen. Sie fühlte: Es soll nicht Mannszeug auf einer Frau sein, und ein Mann soll nicht das Gewand einer Frau anziehen; denn jeder, der dies tut, ist ein Gräuel für den Herrn, deinen Gott. Marion hat die Gemeinde verlassen. Sie fürchtet, ihr Arbeitsplatz wäre in Gefahr, wenn ihr wahrer Name hier gedruckt würde. Ihre frühere Gemeinde habe gewaltige Macht in der Gegend, im Süden des Hinterlands, zwischen Marburg und Herborn, „viele Firmen hier haben einen Chef, der zur Gemeinde gehört. Auch auf den Ämtern sitzen sie weit oben.“ Nicht, weil sich da eine Sippschaft gegenseitig Posten zuschiebe. Sondern weil die Jungs einfach strebsam seien und fleißig in der Schule. Sie wissen ja, dass sie später den Lebensunterhalt für die Familie alleine erwirtschaften müssen. Die Frauen werden nicht arbeiten gehen. Der Lebensmittelmarkt im Nachbarort, erzählt Marion, stelle darum nur noch Jungs von der Gemeinde ein, die sind zuverlässig, die saufen nicht. ### Viele Familien in den Gemeinden haben 14, 17 Kinder. Wie ein fruchtbarer Weinstock ist deine Frau drinnen in deinem Haus. Wie junge Ölbäume sind deine Kinder rings um deinen Tisch. In der Gemeinde wird nicht verhütet, erklärt der Älteste. „Das würde ja heißen, dass wir schlauer sind als Gott.“ Einer jeden Mutter gebe Er schon so viele Töchter und Söhne, wie es richtig sei. Er berichtet von einer Frau, die sich gesagt habe, drei Kinder seien genug. „Dann war sie nicht ausgelastet, ist wieder auf die Arbeit gegangen, und dann hat sie mit dem Chef angebandelt.“ Natürlich schloss die Gemeinde die Sünderin wegen Hurerei aus. „Sie hat’s eben nicht angenommen, wie Gott es bestimmt hat.“ ### Ernst Pfister, der Gemeindeälteste der Evangelisch Taufgesinnten, der Nazarener, hält auch das Recht auf gewaltfreie Erziehung und die Unzulässigkeit körperlicher Bestrafungen, wie sie das Bürgerliche Gesetzbuch Kindern gewährt, für falsch. Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn, wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten. „Das ist eine Sache, da muss ich Gott mehr gehorchen als der Obrigkeit“, sagt Pfister. „Ich meine nicht misshandeln, gelle. Züchtigen. Mit Maßen und vernünftig.“ Ganz früher, da habe er schon mal „en Batsch ins Gesicht“ gegeben. Das habe er später korrigiert. Fortan mussten die Kinder sich über die Armlehne des Sofas beugen. Ein bis fünf Schläge auf den Po, mit einer Rute. „Das tut weh, passiert aber gar nix“, am Po sei genug Fleisch. Seine Tochter eröffnete ihm später, als sie groß geworden war, das Schlimmste sei die Androhung gewesen: Jetzt kriegste drei Stück, leg dich hin. Einer seiner Söhne schlage seine Kinder auch. „Die fünf Kinder, wie die spuren, das glauben Sie gar nicht! Wenn die jetzt reinkämen und ich setz die da hin die sagen keinen Ton.“ Was für'n schlagender Beweis dafür, dass die Autoren der Bibel auch nur Menschen waren. ### aus: von OLIVER REZEC 17. Mai 2013 Die Games-Industrie wirbt im Reichstag ### Drei Bundestagsabgeordnete, zwei von der FDP, eine von der CSU, organisierten im Berliner Reichstag das "2. Politiker LAN*)", um der Software-Branche die Gelegenheit zu geben, sich dem Parlament zu präsentieren. *) LAN-Partys, kurz LAN, sind Veranstaltungen zur Verkaufsförderung von Computerspiel-Produkten; als Teil sogenannter "Jugend-, Subkultur" dienen sie, unter dem Versprechen der Förderung einer Zukunftskompetenz, der Abschöpfung flüssigen Kapitals dieser Altersgruppe, ihrer diversen Eltern, Großeltern und sonstigen Verwandten. Mit fast zwei Milliarden Euro Umsatz sei der Computerspielemarkt nicht nur ein wichtiger Teil der deutschen Wirtschaft, sondern leiste auch einen großen Beitrag zur Entwicklung neuer Technologien. Vertreten waren nicht nur renommierte Spielentwickler wie Electronic Arts und Ubisoft, sondern auch Mittelständler und Start-Ups, die nur am Rande mit Games zu tun haben. Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Philipp Rösler, * 24. Februar 1973 in Vietnam, nutzte die Gelegenheit, sich als "Gamer der ersten Stunde" zu rühmen. Schon in den 80ern habe er auf den ersten Holz-Kompjuton gege-imt. Wie toll! Könnte mir vorstellen, dass nun alle übrigen Wirtschaftsbereiche das gleiche Recht auf "Schleich-Werbung" im Bundestag einklagen werden: Der Reichstag als Dauer-Messe. Auf das schwächliche Spin-off-Argument, ernsthafte Anwendungen in medizinischen, militärischen(?!!!), Krisenmanagement und sonstigen gesellschaftlichen Handlungs- und Steuerungs-Bereichen würden letztlich von den "Pionierleistungen" der Spieleprogrammierer profitieren, passt nur der einzige seriöse Deckel: Warum steckt Ihr Euer "geniales" Knowhow denn nicht ohne Umweg in diese ernsthaften und werthaltigen Entwicklungen? Außer dem pädagogischen Zweck, Heranwachsenden - egal welchen Alters - das Verlieren mit sozialverträglichen Reaktionen näherzubringen, sind für mich ALLE SPIELE REINE ZEIT-VERGEUDUNG, die über Lemming-, Gewöhnungs- und Suchtwirkung, extrem verstärkt durch die neuen Medien, Erfinder und Händler reich machen. Selbst wenn Dir nichts Anderes einfällt, als Löcher in die Landschaft zu gucken, dann ist das wertvoller, als Deine Zeit mit ganz gleich welchem, auch noch so "anspruchsvollen" Spiel TOTZUSCHLAGEN. ### aus: von CHRISTIAN ENDT 16. Mai 2013 Pubertierende Twitter-Schnitte mit etwas in der Birne gesucht Der Film "Sommer" von Eric Rohmer lehrt: Pubertät ist ein Tagebuch, das nach Parfum, Schweiß, Alkohol und sonst was stinkt, das man immer gut abschließen und irgendwann am besten voller Scham in die Tonne treten sollte. Da stehen Sätze von der Sorte, die gerade eine 16-jährige Gianna über den Boston-Bomber Dschochar Zarnajew "getwittert" hat: "Ich weiß, dass er unschuldig ist. Er ist nämlich viel zu hübsch." Oh je. Nicht genug, dass Pubertierende ihre (von welchem Doofen auch immer finanzierte) Prepaid-Karte mit sinnlosem Geschwätz leertelefonieren und während "Temple Run 2" (Google-App Endlosspiel) das Sofa mit Paprika-Chips vollbröseln. Wie die New York Post entgeistert feststellt, führen jetzt "Tausende US-amerikanischer Mädchen in "sozialen" Netzwerken eine Kampagne an", mit der sie den mutmaßlichen Boston-Bomber entlasten möchten. Die Mädchen versichern sich gegenseitig ihrer Liebe zu Zarnajew, basteln Collagen mit dessen Konterfei und erklären, sich alte Twitter-"Botschaften" von ihm auf diverse Körperteile tätowieren lassen zu wollen. Gut, Verbrecher-Liebe (Hybristophilie) ist nichts Neues. Die Freundin des 30fachen Frauenmörders Ted Bundy zeugte mit ihm noch in der Haft ein Kind. Aber gleich tausendfaches, unverschlossenes und ungeschreddertes Schwärmertum auf Twitter, das an den Verfasserinnen haften bleiben könnte wie ein digitales Arschgeweih? Schönheit, wusste Platon, kann durchaus Inspiration für wertvolle Gedanken sein. Dafür wäre es freilich nicht schlecht, wenn die ein oder andere Twitter-Schnitte wenigstens ein bisserl was in der Birne hätte. ### aus: von MARTIN ZIPS 15. Mai 2013 Ein Fußballreporter hat Mut Bei der Hälfte Deiner Zuhörer kommst Du nicht an, egal was Du tust; Drei von zehn stehen auf Dich, egal was Du machst; Die restlichen zwei von zehn musst Du immer wieder neu überzeugen. Marcel Reif ### Der Fußballreporter Marcel Reif verfolgt nicht, was in sogenannten "sozialen Netzwerken" über ihn geschrieben wird. „Das ist ja auch keine Bringschuld von mir. Wenn jemand etwas von mir will, wird er sich mit mir in Verbindung setzen. Mails bekomme ich aber nur zwei- bis drei pro Spiel.“ Klar! Das ist ja auch Kommunikation Auge in Auge. Nicht mal eben so in der Horde über'n Platz gegröölt. Die „Kultur“ des Massengrölens sogenannter Fääns setzt sich nahezu 1zu1 in sogenannten „sozialen“ Internet-„Netzwerken“ fort. Der Mut, hier mitzumachen, ist der des anonymen Mitläufers in einer steinigenden Menge. Die obige Szene (ein Grund von vielen, warum ich ganz gewiss keinen Fuß mehr in eine solche "Sport"stätte setzen werde) macht dies beängstigend deutlich. Wer meint, man müsse Menschen ernstnehmen, die glauben, sich derart äußern zu dürfen, und man müsse sich mit ihren Äußerungen auseinandersetzen, der verlangt mehr, als diese Mitgröler allen Ernstes selber erwarten (dürfen). Im Folgenden verlangt der "Präsident eines großen BVB-Fään-Clubs", der Spiele seiner Mannschaft offenbar im Fernsehen statt im Stadion schaut, dass Marcel Reif keine Spiele mehr "pfeifen" dürfe: Für eine solche Art der „Kommunikation“ Partei zu ergreifen bedeutet, Tendenzen in unserer Gesellschaft zu fördern, wenigstens aber zu tolerieren, an deren Höhepunkt eine „Lynch-Gerechtigkeit“ steht, die dann mit ungebremster Wucht gegen ihre eigenen Ränder, Minderheiten, Außenseiter wütet, gegen alles, was von der Masse abweicht. Sowas hatten wir doch schon mal, wenn ich mich nicht irre?! - das hihihi lassen wir hier weg. 14. Mai 2013 Jack Bruce 70 Jahre Herr Jens-Christian Raabe fragt sich, ob der E-Bass in der Rockmusik wirklich als Solo-Instument gebraucht wird und ob solistische Virtuosität in der populären Musik nicht etwas zu hoch bewertet ist. Das ist doch mal ein herzlicher Prolog zu Glückwünschen zu einem runden Geburtstag - oder zur Frage, ob solch ein Gratulant wirklich gebraucht wird und ob er nicht etwas zu hoch ...
Zum Siebzigsten und zur Abwechslung möchte er dann aber dennoch den Songwriter und Riff-Tüftler Jack Bruce feiern. Die CREAM-Hits von Jack Bruce, Bass und Gesang, mit Eric Clapton, Gitarre und Gesang und Ginger Baker am Schlagzeug, "I Feel Free", "White Room" und "Sunshine Of Your Love" stammen immerhin von ihm.
Auch das "noch immer" gewaltige Sunshine-Of-Your-Love-Riff.
Machen Sie sich nichts draus. Karlheinz & Elke ### aus: von JENS-CHRISTIAN RAABE 13. Mai 2013 Sporttreiben für Schönheitsmoden ist verplemperte Zeit ### Der Spruch, den man Sir Winston Churchill zuschreibt: "No Sports!" - ist es das? Hans Förstl: Alle drei waren starke Raucher - und alle hatten kurz vor oder nach der Krim-Konferenz von Jalta Schlaganfälle und erhebliche Leistungsstörungen. Keine Unterstützung also für ein Motto "Rauchen ohne Bewegung". Sport ist Stress. Das kann positiver Stress sein, zum Beispiel auch für Kinder, die Asthma haben. Es ist schlimm, dass Kindern mit Asthma immer noch häufig die Teilnahme am Schulsport untersagt wird. Aber: Sport in Maßen, nichts im Übermaß. Negativen Stress machen manche Sportarten wie Boxen und Besessenheit vom Marathonlauf. Sie schaden dem Körper. Sport muss Körper und Geist vereinen. Das tut er nicht, wenn er dem Verfolgen irgendwelcher Schönheitsideale (Verhaltens-Vorschriften einer Gruppe) dient. Friedrich Torbergs österreichischer Klassiker „Die Tante Jolesch“ spricht es aus: „Was ein Mann schöner is‘ wie ein Aff, is‘ ein Luxus.“ ### aus: von MARTIN MÜHLFENZL 12. Mai 2013 Waffen für jeden aus dem Drucker - Cody Wilson, 25, ist Chef der Organisation "Defense Distributed", die aus ihm und einigen Freunden besteht. Sie möchten die Menschheit bewaffnen, indem sie es jedem ermöglichen, seine eigene Pistole zu bauen. Dazu braucht man einen 3-D-Drucker, der Bauteile aus Kunststoff fertigt und die Baupläne, die "Defense Distributed" kostenlos im Internet verbreitet. Wer sie herunterlädt, muss weder Namen noch Alter preisgeben. Wilson studiert Jura im texanischen Austin. Er hält sich für einen Rebellen und sagt mit provokantem Grinsen: "Wir sehen die Freiheit in Gefahr. Wir müssen antworten." Die Idee einer nicht zu registrierenden Waffe ließ ihn nicht mehr los, als er von 3-D-Druckern hörte. Über die Konsequenzen des "Wiki Waffen Projekts" spekuliert er: "Gerät die Gesellschaft aus den Fugen, wenn unser Vorhaben gelingt? Ich will es herausfinden". Als "Krypto-Anarchist" müsse man möglichst viel vor dem Staat geheim halten, damit dieser die Menschen nicht unterdrücken kann, sagt Wilson. Ein 3-D-Drucker-Hersteller nahm ein geleastes Gerät zurück, als er von Wilsons Vorhaben erfuhr und verschiedene Internetseiten-Hosts verbannten Dokumente über das "Wiki Waffen Projekt" von ihren Servern. Das "Bureau for Alcohol, Tobacco, Firearms and Exprosives" (ATF) dagegen gab ihm eine Lizenz zur Waffenherstellung und versicherte ihm, dass er nicht gegen Bundesgesetze verstoße. Inzwischen stellt eine Firma ihre 3-D-Drucker "Defense Distributed" zur Herstellung der Pistolen-Prototypen zur Verfügung. Im US-amerikansichen Senat scheiterte gerade ein Gesetzentwurf, nach dem Waffenkäufer nur beweisen müssen, dass sie nicht vorbestraft oder geistig krank sind. Schon diese Idee nannte die Waffenlobby einen Anschlag auf die Verfassung. Wilson sieht sein Projekt als Beitrag dazu, dass der Staat nie mehr die Herstellung, den Vertrieb oder den Besitz von Waffen wird eindämmen können. Selbst erzkonservativen Verfechtern des Rechts auf Waffen, wie Glenn Beck, bereitet das Projekt Wilsons allerdings Unbehagen. Beck: "Was ist ihr Motiv?" Wilson: "Ich glaube nicht an die herrschende Politik. Ich mache echte Politik. Ich gebe Ihnen ein Magazin und sage, dass Ihnen das nie einer wegnehmen kann. Das ist Tatsache. Das ist Geschichte. Das ist radikale Gleichheit." Beck ist sich nicht sicher, ob er Wilson einen Freund oder Gegner nennen sollte. Beck liebt die Freiheit (?!), aber er fürchtet die Anarchie. Das Technik-Magazin Wired hat Wilson im Dezember zu den 15 gefährlichsten Menschen der Welt gezählt. "Wie soll man Waffen noch kontrollieren, wenn sich jeder selbst eine ausdrucken kann?" Dass ein Mensch mit einer Plastikpistole erschossen werden könnte, beunruhigt Wilson nicht. Als Internetpionier sieht er sich als Vertreter einer neuen Zeit. Bedenkenträger sind für ihn von gestern. Zu Vize-Präsident Joe Biden, der für strenge Waffengesetze kämpft, sagt Wilson: "Dies ist kein Land für alte Männer". Wie recht Mr. Wilson wohl hat. In seiner Welt wird keiner mehr alt werden. Nicht mal so alt wie er selbst heute ist. ### aus: von MATTHIAS KOLB und NICOLASS RICHTER 11. Mai 2013 Castingshows: CORDULA STRATMANN Bei Castingshows werde ich komplett humorlos. Ich verachte es zutiefst, eine Öffentlichkeit herzustellen, um jemandem zu sagen, wie scheiße er ist. Das kotzt mich an. Heidi Klum ist Gesicht und Seele einer kaltherzigen, ekelerregenden Produktion. Niemand braucht sich entsetzt zu fragen, wie Mobbing auf Schulhöfe oder ins Netz gelangt. Frau Klum ist die Trainerin in Gehässigkeit und Herablassung. ### aus: Interview: ALEXANDER MÜHLAUER und UWE RITZER Siehe auch Cornelia Stratmanns Internetseite 10. Mai 2013 Ehe und Familie sind zu fördern, Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. In der Diskussion um den Sinn des Ehegattensplittings oder seiner Kompatibilität mit dem vermeintlich progressiven Zeitgeist ist häufig zu hören, es „fördere Ehen und nicht Familien, weil die Kinderzahl keine Rolle spiele“. Allerdings, es heißt ja auch Ehegatten- und nicht Kindersplitting. Das Grundgesetz stellt damit die Ehe als Institution gleichberechtigt neben die Familie (mit Kindern) und gibt der staatlichen Ordnung auf, beide zu fördern. Ebenso oft wird das Ehegattensplitting als Subvention der Ehe bezeichnet. Auch falsch. Das Ehegattensplitting ist nämlich der steuerrechtliche Ausgleich von Nachteilen, die Verheirateten durch ihr Verheiratetsein entstehen. Etwa der familienrechtliche Zugewinnausgleich oder der Ehegattenunterhalt, der die Ehepartner verpflichtet, sich gegenseitig finanziell zu unterstützen, beispielsweise im Fall der Arbeitslosigkeit eines Partners oder in Zeiten, in denen dieser aus verschiedensten Gründen kein eigenes Erwerbseinkommen hat. Was auch dann der Fall sein kann, wenn ein Partner seine berufliche Entwicklung der des anderen zwecks Aufrechterhaltung der häuslichen Gemeinschaft unterordnet und häufige berufsbedingte Wohnortwechsel mit der Folge einer lückenhaften Erwerbsbiografie in Kauf nimmt. Oder wenn Berufstätigkeit zeitweise aufgegeben oder eingeschränkt wird, weil Angehörige daheim gepflegt werden, statt diese Aufgabe an die Gemeinschaft "outzusourcen". Die Pflicht zum Unterhalt besteht sogar noch in Zeiten, in denen die häusliche Gemeinschaft und der Wille zum Zusammenleben zwar aufgegeben, die Scheidung aber noch nicht rechtswirksam vollzogen wurde. Nichtverheiratet Zusammenlebende sind da „fein raus“, denn ihre Form der Zweisamkeit ist eine mit Netz und doppeltem Boden die es jedem Beteiligten erlaubt, sich den Konsequenzen eines Scheiterns oder anderer Unwägbarkeiten zur Not ohne Weiteres zu entziehen! GowV 2000, Gemeinschaft ohne wechselseitige Verantwortung, die "Keimzelle" der "neuen" Gesellschaft. ### aus: von BJÖRN SCHÄFER Süddeutsche Zeitung, 8. Mai 2013 9. Mai 2013 Es gibt einfach nichts Besseres Der Moment, einen sinnlichen Akkord zu spielen, wenn der Schlagzeuger und der Bassist einstimmen, das ist die herrlichste Freude. Es gibt einfach nichts Besseres. Es ergreift meinen ganzen Körper in einer Art und Weise, wie das Schauspielen es einfach nicht kann. Quite rightly so ### aus: Süddeutsche Zeitung, 8. Mai 2013 8. Mai 2013 Im Namen des Volkes: aus einer Tagung des ### Das Amtsgericht Tiergarten entschied 2012: Die katholische Kirche darf „Kinderficker-Sekte“ genannt werden, und diese Bezeichnung sei nicht geeignet, den „öffentlichen Frieden“ zu stören, auch angesichts der Tatsache, dass dieses Urteil und die entsprechenden Absonderungen eines Bloggers den privaten Frieden von Gläubigen empfindlich gestört haben und weiterhin stören werden. Eine Punkband huldigt brav dem professionellen Ruf ihres Genres mit einem T-Hemd, das ein gekreuzigtes Schwein mit der Inschrift „INRI“ zeigt. Feministinnen bewerfen den Papst bei seinem Besuch 1987 mit Hostien, um ihre Kritik an der katholischen Sexualmoral loszuwerden. Wie sonst? Die Frauen von „Pussy Riot“ singen ein Punkgebet in einer russischen Kirche, um gegen die Mesalliance aus Putin-Russland und orthodoxer Kirche zu protestieren und werden zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Religionsfreiheit erlaubt jedem, an etwas oder an nichts zu glauben. Sie schützt aber Gläubige nicht gegen Provokationen, beschimpfenden Unfug, schmerzhafte Zuspitzungen, auch wenn die unzulässig verallgemeinern und damit unnötig verletzen, aber einen faktischen Hintergrund haben (wie den Kindesmissbrauch von katholischen Geistlichen). Provokateure genießen Meinungsfreiheit. Unscharfe, diffuse Begriffe wie Öffentlicher Friede, guter Geschmack, gute Sitten, unterwerfen die Freiheitlichkeit dem Mehrheitswillen und dessen Moral, die ja im Zweifel immer das ist, was eine Mehrheit dafür hält. Religiöse Provokationen gehören zum Wettbewerb der Meinungen, den der Staat grundsätzlich nicht einschränken darf. Eine kollektive Komponente der Religionsfreiheit ist allerdings der Schutz gegen Herabwürdigungen. „Der säkulare Staat ist kein religionsfeindlicher Staat. Ein säkularer Fundamentalismus ist mit dem Grundgesetz unvereinbar“, sagt Dieter Grimm (Ex-Verfassungsrichter; Siehe auch: Reiten im Walde). ### aus: von WOLFGANG JANISCH 7. Mai 2013 Internetportale: Jede Freiheit endet ganz kurz vor der Nase des Anderen, sogar im Internet ### Auf den Seiten eines Internet-Portals unterstellte ein anonymer Nutzer der Ärztin eines westfälischen Krankenhauses sexuelles Interesse an ihren Patienten. Im Verfahren wegen übler Nachrede verlangte die Staatsanwaltschaft Dortmund den Namen dieses Nutzers von einem Mitarbeiter des Portals. Der berief sich auf ein journalistisches Zeugnisverweigerungsrecht. Zu Unrecht, befanden sowohl das Amts- als auch das Landgericht Duisburg unter Verhängung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft. Der Mitarbeiter des Portals gab daraufhin den Namen preis, möchte nun aber in Karlsruhe klären lassen, ob ein Portal die Anonymität von Nutzern garantieren kann/darf. Das Landgericht hat ihm als redaktionellem Mitarbeiter des Portals ein prinzipielles Aussageverweigerungsrecht bestätigt, und Leserbriefe gehören allgemein anerkannt zum redaktionellen Teil einer Zeitung. Nur: Das Privileg der Presse ist an die Pflicht gebunden, nur geprüfte und strafrechtlich unbedenkliche Beiträge zu veröffentlichen. Das Landgericht: Im Ernstfall kann ein Portal die Vertraulichkeit der Teilnehmer nicht wahren, was auch für die Ankündigung der Übernahme der „vollen Verantwortung“ gilt. Verantwortlich für Beleidigungen kann nur gemacht werden, wer die Beiträge vorher zur Kenntnis genommen hat. Es gibt also doch noch Hoffnung für ein humanes Internet? ### aus: Süddeutsche Zeitung, 7. Mai 2013 6. Mai 2013 „Bis dass der Tod Euch scheidet“ Teilen macht reicher und Lieben*) *) Wenn ich mal kühn sein darf, nehme ich für Norbert Blüm an, dass er hier nicht die erste Liebe flammender Herzen, sondern die meint, die in Jahrzehnten gemeinsamen Lebens daraus gewachsen ist. Karlheinz Ehe und Familie hielten mit ihrem Kern des Zusammenlebens selbst den Katastrophen der Natur und in den revolutionären Umbrüchen stand. Weder Robespierre noch Hitler, Stalin, Mao oder Pol Pot schafften es, die Familie zu eliminieren. Bedrohlicher als die Versuche von gestern sind möglicherweise die lautlosen Unterminierungen von heute. Für was sollen Ehe und Familie noch gut sein? Zusammenhalt? Wozu, wenn jeder sich selbst genug und Selbstverwirklichung Alleinverwirklichung ist? Nachwuchs? Um Kinder auf die Welt zu bringen, braucht es die Ehe nicht. Gentechnisch programmierte Menschen sind überdies nach den Produktionswünschen der Wirtschaft längst außerehelich möglich und verminderten darüber hinaus gesellschaftliches Konfliktpotenzial. Erziehung? Eltern als Erziehungsdilettanten werden im Interesse der Chancengleichheit aller Kinder schon kurz nach der Geburt durch professionelle Erziehungsexperten in öffentlichen Erziehungsanstalten ersetzt. Die Familie ist noch für Übernachtung der Kinder zuständig. Die Festlegung auf eine dauerhafte, „alte“ Ehe ist Einschränkung der Wahlfreiheit, DER höchsten Form von Freiheit. „Neue“ Ehen werden geschlossen, bis etwas Besseres kommt, und diese vorübergehenden Lebensabschnittspartnerschaften haben einen geringeren Kündigungsschutz als im Miet- und Arbeitsrecht. „Zerrüttung“, der Nachweis einer erfolgreich absolvierten Trennungszeit, reicht als Auflösungsgrund. Hemmungsloser geht es nicht. Die Monogamie des Abendlandes gleicht sich der Polygamie des Morgenlandes an. Was dort gleichzeitig organisiert ist, wird hier zur Zeitreihe des Nacheinanders von Lebensabschnittsgefährten und steht geschlechtsungebunden Männern wie Frauen und ... offen. Der Ratio der vorübergehenden "neuen" Ehe entspricht die Opportunität, die Güter der Partner getrennt zu halten. Eheeinkommen als vergemeinschaftetes Einkommen ist bei vereinten Ich-AGs nicht vorgesehen. Wer in der Ehe mehr für die Ehegemeinschaft geleistet hat, ist bei der Scheidung der oder die Dumme. „Fortschrittliche“ Heiratswillige nehmen deshalb vor der Ehe das Ende vertraglich voraus und sichern ihre wechselseitigen Ansprüche anwaltlich ab. Die „alte“ Ehe für gute und schlechte Zeiten ist zu einer Arbeitsgemeinschaft zur gemeinsamen Nutzung der Freizeit geworden. Die Lebensabschnittspartnerschaft ist für schlechte Zeiten nicht eingerichtet. Im Finale dieser Entwicklung wird es gar keine Eltern mehr geben. Kinder werden Geschöpfe des Staates, Autismus zum amtlichen Gesellschaftsprogramm. Die „alte“ Ehe bildete eine Gemeinschaft, die mehr als die Summe ihrer Teile ist (Aristoteles). Ehe im "modernen" Verständnis ist die Addition zweier selbständiger, unabhängiger Individuen. Der „neue Mensch“ bleibt zwar verschont von den Erschütterungen, von Freud und Leid der Liebe*). Er verpasst dafür aber das Glück, zu erleben, dass Teilen reicher und Lieben paradoxerweise zugleich abhängiger und freier macht. ### aus: Süddeutsche Zeitung, 6. Mai 2013 5. Mai 2013 Sogar "verrückte Mistkerle" Als sich Häftlinge in Guantanamo das Leben nahmen, nannte ein US-amerikanischer General dies „Kriegsführung gegen uns“. Ein US-amerikanischer Senator sagte kürzlich, die Insassen Guantanamos seien „verrückte Mistkerle“. Diese Mistkerle sind seit einem Jahrzehnt gefangen, können nicht auf einen Prozess hoffen und wissen nicht einmal, wie lange sie noch eingesperrt bleiben. 30 Jahre, oder 40? Präsident Barack Obama wollte sein Land aus der Sphäre der Rechtlosigkeit zurückholen, die sein Vorgänger nach dem 11. September 2001 geschaffen hatte. Der Kongress untersagte aber, die Gefangenen auf das Festland zu verlegen und vor Zivilgerichte zu stellen. Ihr Hungerstreik erinnert jetzt daran, dass Guantanamo nicht nur US-Amerikas Ruf beschmutzt, sondern auch den seines Präsidenten. Obama könnte Dutzende Gefangene aus Jemen nach Hause schicken, die längst als ungefährlich gelten. Der Status Dutzender weiterer Gefangener könnte neu bewertet, ein Teil davon in ihre Heimatländer gebracht und die übrigen notfalls vor ein Militärgericht gestellt werden. Die Gefangenen in Guantanamo gelten als rechtlose „feindliche Kämpfer“. Wenn demnächst einmal US-Amerika nirgendwo mehr Krieg führt(?!), ist dieser Status noch weniger zu begründen als ohnehin schon. Das Unrecht liegt nicht im Stützpunkt Guantanamo an sich. Das Unrecht liegt im Konzept der Gefangenschaft ohne Prozess und ohne Ende. In Rechtsstaaten haben selbst jene Anspruch auf ein Verfahren, die manche für verrückte Mistkerle halten. ### aus: von NICOLAS RICHTER 4. Mai 2013 Verkehrte Semantik Margot Käßmann zu Kritik am „Gutmenschentum“: „Wie zynisch ist eine Gesellschaft, die sagt, Weltverbesserer sind naiv?“ Jeder müsse sich fragen, wie er sich in die Welt einbringen will. „Wenn Gott mich mal fragt: Was hast Du gemacht in Deinem Leben, und ich dann sagen muss: 11,6 Jahre ferngesehen, das wäre mir peinlich.“ Das Wort „Gutmensch“ mit negativem Inhalt zu versehen, ist ein Symptom der Krankheit einer Gesellschaft 2000, die sich in fortschreitendem Stadium bald auch nicht mehr scheuen wird, ein Engagement gegen Pädophilie, Vergewaltigung, Waffenhandel oder Steuerbetrug offen abschätzig zu bewerten, wg. Realitätsverlust, nach dem Motto: „Das älteste Gewerbe der Welt“ konnten bisher schließlich auch Jahrtausende inbrünstigst moralischer Empörung nicht abschaffen. Sich selber gegen unbestrittene Übel einzusetzen, bringt nichts auf dem Konto und ist viel zu mühselig; Erklären wir die, die dies dennoch tun zu Deppen und alle anderen zu smarten Durchblickern, Ungut-, Bösmenschen oder Sowohl-Gut-als-auch-Bösmenschen. Dennoch, muss letztere banale Erkenntnisfacette zur Natur des Menschen daran hindern, den Vorsatz zum Ausdruck zu bringen: "Gut wär's mir schon lieber". Darf der Zeitgeist eine solche Äußerung zynisch ächten? Von Schauspielern hört man ja schon mal den Spruch, dass die Rolle des Schurken viel interessanter, "dankbarer" sei, viel "mehr hergebe". Was aber unterscheidet denn den sowohl-als-auch-guten vom sowohl-als-auch-bösen Menschen? Muss man bei solchem Lemming-Kram eigentlich mitmachen?!?, auch oder gerade weil er massenkompatibel ist? ### aus: 3. Mai 2013 Jungen Bürgern (Kindern der USA) Werbeslogan mit Copyright: "My first rifle" ### Mit einer Gesellschaft, deren Mehrheit im Jahr 2013 immer noch meint, auf ein derart prekäres „Grundrecht“ und Relikt eines Mythos‘ vom Wilden Westen nicht verzichten zu können, die sogar trotzköpfig gegen jeden Zweifel stolz darauf ist, kann Homo sapiens, jeder vernunftbegabte Mensch, der diese Begabung wahr- und ernstnimmt, nur Mitleid haben ### Das Gewehr gibt's in allen Farben, und man findet es in den USA überall, das Kleinkalibergewehr Crickett .22. Der örtliche Waffenladen verkauft es, und auf jeder Gun Show findet sich ein Händler, der die Kinderknarre für 139 Dollar feilbietet. „My first Rifle“, mein erstes Gewehr, lautet der copyright-geschützte Werbeslogan der Firma Keystone in Pennsylvania, die jährlich 60.000 Schusswaffen ausliefert und nie den kleinen Warnhinweis auf dem Pappkarton vergisst: „Not a toy!“, kein Spielzeug! Kristian Sparks, fünf, aus Burkesville, einem ärmlichen Weiler am Fuße der Appalachen im Süden Kentuckys, besaß auch eine Crickett, und er war stolz auf sein Schießgewehr. Als seine Mutter kurz vor die Tür auf die Veranda trat, holte Kristian seine Crickett aus der Zimmerecke und drückte nur mal eben ab. Die Kugel traf seine Schwester Caroline in die Brust. Als die Mutter zurück eilte, lag das Mädchen ohnmächtig in seinem Blut. Auf dem Weg ins Krankenhaus ist Caloline gestorben. Sie wurde zwei Jahre alt. Das ganze Dorf „trauert mit den Sparks“. Die Polizei registriert: „Ein Albtraum. Ein tragischer Unfall“. Der zuständige Leichenbeschauer ist „entsetzt“, weil die Eltern die Kugel im Gewehrlauf übersehen hätten und die Kindersicherung offenbar versagt habe. „In diesem Teil des Landes ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Fünfjähriger ein Gewehr hat. Waffen reichen wir hier von Generation zu Generation weiter.“ Na denn. Hier gehören Waffen zum Leben (! und beenden es nicht selten). Tragödien wie der Tod der Caroline Sparks geschehen immer wieder. Anfang April erschoss ein Vierjähriger eine Frau in Tennessee, kurz darauf ein Vierjähriger in New Jersey seinen sechsjährigen Spielgefährten durch einen Kopfschuss. US-Amerikaner besitzen 300 Millionen Schusswaffen, etwa eine pro Bürger. Die Gesundheitsbehörde CDC gibt an, dass in den USA alle drei Tage ein Kind bei einem Unfall mit einer Waffe stirbt. Die Waffenindustrie sponsert unterdessen Programme, die beim Nachwuchs ab acht Jahren die Lust am Schießen wecken sollen. Der Waffenlobby NRA gelingt es gleichzeitig, das gesetzliche Mindestalter für Jäger in einigen Bundesstaaten zu senken oder ganz abzuschaffen. Einer der Finanziers dieser Früherziehung am Abzug ist ist die National Shooting Sports Fundation (NSSF) mit einem Jahresetat von 26 Millionen Dollar. Ihr Präsident sagt, dass hinter den Programmen der NSSF nichts "Finsteres" stecke. Man sei nur „realistisch“ und wolle junge Bürger den Umgang mit ihrem Grundrecht auf Waffenbesitz lehren. Die NSSF hat ihren Sitz in Newtown, in der Kleinstadt, in der im Dezember 27 Menschen von einem jungen Amokläufer erschossen wurden. ### aus: von CHRISTIAN WERNICKE 2. Mai 2013 Kommunikation per Bildschirm - Brian de Palma Smartphones haben verändert, wie die Leute auftreten jeder schaut auf sein Telefon und nicht, was um ihn herum passiert. Jeder sitzt nur noch da und wartet auf die Antwort auf seine SMS. Da sitzt man da, starrt aufs Display und vergisst, dass jemand anders im Zimmer ist. Googeln hilft, wenn man älter wird und sich das Kurzzeitgedächtnis verabschiedet*). Mich beunruhigt eher, wie die Interaktion der Menschen unter der Technologie leidet: Sie verstecken sich dahinter. Ich denke, es macht einen Unterschied, ob man mit einem Mädchen eine Woche lang Nachrichten austauscht, statt einfach zu sagen: Gehen wir zusammen ins Kino? Sie sagt vielleicht nein und dieser Ablehnung geht man mit Textnachrichten aus dem Weg. Niemand mag Ablehnung, aber die Technik erlaubt es, sich ihr auch nicht auszusetzen seltsam. ... ... schlimm. Kommunikation mit Augenkontakt ist nur durch Kommunikation mit Augenkontakt zu ersetzen. Nicht mal ein Smartphone ist in der Lage, den Steinzeit-Genpool von Homo sapiens zu verändern. *) Gedächtnis, gleich welcher Art, verabschiedet sich nun auch in jedem Alter - warum sich noch irgendwas merken, es gibt doch Guuugl! ### aus: Interview: SUSAN VAHABZADEH 1. Mai 2013 - Der Tag des arbeitenden Geldes Das große € wie €go Liebe Jugend, das sind sie! Sportsgeist, Es gibt höhere, teurere Werte: Helmut Papenberg, Unna ### Vorbild? Wer? # Ein Mensch, der in seinen Wortmeldungen Hat DER Mensch verstanden, Und nun tut MAN überrascht, Matthias Schnitzler, Köln *) ... Steuern hinterzogen haben soll/...sich selber dieser Straftat beim Staatsanwalt bezichtigt haben soll/...nun Strafanzeige gegen den/diejenigen erstatten ließ, durch den/die seine Selbstanzeige an die Öffentlichkeit gekommen sein soll...??? ### aus: Süddeutsche Zeitung, 30. April 2013 |