El Paso bekommt seinen Personalausweis

Brenn- und Chip-Termin in Oberorke

6. Oktober 2012

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- Die deutsche Viehverkehrsverordnung

- Heißes Eisen: Kennzeichnung von Pferden
GABRIELE POCHHAMMER, Süddeutsche Zeitung, 20.2.12


Wollt Ihr dabei sein, wenn El Paso seinen Personalausweis bekommt, beim Brenn- und Chiptermin? Na selbstverständlich. Erst heißt es, Abfahrt bei Peter um elf, dann, um eins, weil Hans angerufen hat: Der Termin verschiebt sich nach hinten. Es sollte nicht die letzte Verschiebung dieses Tages sein.

Kurz nach eins geht's von Niederscheld mit Patrick am Steuer nach Oberhörlen, zum wunderschönen Stall von Hans, der Wohnung des "kleinen" Rheinisch Deutschen Hengstfohlen El Paso und seiner stattlichen, hübschen Mutter.

À propos "Kleiner". Vor etwas mehr als einem halben Jahr habe ich ihn das erste Mal gesehen. Nun ist daraus ein beeindruckender Wonneproppen geworden, Gott-sei-Dank mit dem selben Kindergesicht und dem selbstbewusst freundlich neugierigen Verhalten, das in Anwesenheit seiner Mutter von ungetrübtem Urvertrauen geprägt zu sein scheint.

Beide tauschen ihr Luxus Appartement mit dem Hänger. Die Mutter in routinierter Ruhe, der "Kleine" etwas erregt, dennoch zügig mit energischer Po-Schub-Hilfe durch Hans und Peter. Und kurz nach zwei sind wir im Konvoi unterwegs.

Viertel nach drei erreichen wir die beeindruckende Anlage in Oberorke. Sie gehört zum Vier Sterne Hotel Freund.


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Mutter und Kind erhalten eine Box mit leckerem Heu in einem riesigen Stall, der direkt an eine Reithalle grenzt.

Und wir warten. Inzwischen gemeinsam mit einigem Personal des Hofs/Hotels? und Reinhard Rausch, dem Vorsitzenden des Kaltblut Zuchtvereins Hessen, der innigsten Informationsaustausch pflegt mit Hans, seinem Amtsvorgänger. Übrigens, das Internet birgt doch noch so manche Information: Siehe.

Es sollten dann fast drei einhalb Stunden werden, bis endlich, zwanzig nach sechs, das Triumvirat aus Brenner, Chiper und Begutachter, eine Dame und zwei Herren auf den Hof eintreffen. Während sie routiniert und zügig die Vorbereitungen zum Zweck ihres Hierseins absolvieren, berichten sie fröhlich über die diversen Ursachen ihrer Verspätung, die selbstredend nicht in ihrer Verantwortung liegen.

Peter führt die Mama und Patrick El Paso auf den Hof, und die Brenn- und Chip-Kommission tritt in Aktion.

Die? Stockmaße von Mutter und Kind werden genommen, die individuellen Fellzeichnungen (Abzeichen) protokolliert, und El Pasos linker Hinterschenkel wird teilweise geschoren.

Ein mit Hilfe eines Brenners zur Glut erhitztes Brand-Eisens (in der Negativ-Form des Brandzeichens für Rheinisch Deutsche Pferde im Stammbuch für Kaltblutpferde Niedersachsen e.V., mit der Nummer 17 darunter) wird El Paso auf die geschorene Schenkelfläche gedrückt. Da er während der Branddauer zuckt, gelingt der Schenkelbrand mit "Schattenbild", was nun ein "Alleinstellungsmerkmal" für ihn ist. Eine Qualmwolke steigt auf, wie beim Aufbrennen der Huf-Eisen durch den Schmied. Keine Zeichen von Unwohlsein bei El Paso.

Der Chip-Vorgang geschieht für mein (photografisches) "Schalt"vermögen einfach zu schnell. Entsprechend existiert kein Bild davon. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass der Ruck, mit dem das Injektions-Instrument von hinten unten nach vorn oben in den oberen Teil der Halsmuskulatur gestoßen wurde, eine etwas unwilligere Reaktion El Pasos auslöste.

Dennoch, beide Prozeduren, Brand wie Chipen, hinterlassen keine erkennbaren (negativen) Spuren im Verhalten des Fohlens.

Ortswechsel in die Reithalle. Peter stellt sein Fohlen im Schritt und im Trab freilaufend mit der Mama an der Hand vor. Die Kommission einigt sich über die Bewertung. Ich vernehme mehrfach etwas von sieben Komma fünf? Ist das gut? Keine Ahnung.

Schon geht's für die beiden Hauptdarsteller wieder hinaus auf den Hof und in den Hänger. El Paso scheint schnell zu lernen. Er lässt sich, wie ich meine, einen Tick reibungsloser in seine Fahrgastzelle bitten als noch vor fünf Stunden.

Na klar, El Paso kann spanisch der Schritt oder die Stufe, der Durchgang oder der Pass bedeuten. Noch kann sich das "kleine" Pferd ausssuchen, welche Persönlichkeitsmerkmale, in seinem Namen verborgen, auf ihre Verwirklichung warten. In jedem Fall wären sie in meinen Augen die Vervollständigung eines bisher schon sehr angenehmen und vielversprechenden Bildes.

Das "Kleingeld" der Bewegung, der Schritt bringt dem Ziel näher, die Stufe hilft, wenn es bergauf geht. Ein Durchgang oder ein Pass ersparen lange Umwege, sind vielleicht sogar die einzige Möglichkeit, ein Ziel zu erreichen.

Schaun wir mal, drei vier Jahre weiter. Alles Gute auf Deinem Weg zum Rheinisch Deutschen Kaltblut, El Paso.

Nicht einmal eine halbe Stunde hat die amtliche Prozedur gedauert. Nun hat El Paso einen "Personalausweis", kann nicht mehr ganz so einfach verwechselt werden.

Peter lenkt den Pferdetransport zurück zum Stall von Hans in Oberhörlen. Mama und Kind entern hocherfreut ihr Luxus Appartement. Schlaft gut. Und: Tschüs Hans.

Um neun sind wir wieder in Niederscheld und eine halbe Stunde später erreichen wir Heisterberg pünktlich zum Heia-Machen. War ein schöner Ausflug, etwas zu lang, wohl wahr. Aber hätten wir sonst den Ort kennengelernt, an dem Werner, aus der Chef Etage des Hauses Saalbach in Breitscheid, zum erstenmal sein Talent auf dem Rücken eines Pferdes entdeckte (cit. Jutta)?!

Karlheinz

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"Treibgut" Funde im Internet

Das ist das Brandzeichen des "Stammbuchs für Kaltblutpferde Niedersachsen e.V."
El Paso gehört nun diesem Verein an.

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Auf der Internetseite des "Stammbuchs für Kaltblutpferde Niedersachsen e.V." findet sich unter "Termine" folgender Eintrag:

Sa., 06.10.2012 Nachbrenntermin/Stutbuchaufnahme
in Vöhl-
Oberorke,
Reithalle Kur- und Sporthotel Freund,
ab 15:30 Uhr (!),
anschließend Mitgliederversammlung
des
KZV Hessen
ab 19:00 Uhr,
Vöhl-Oberorke,
Kur- und Sporthotel Freund
(Tel. 06454 / 7090)
Anmeldung über
Reinhard Rausch,
Tel. 05634 / 91120

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Der 2005 gegründete Kaltblut Zuchtverein Hessen ist dem "Stammbuch für Kaltblutpferde Niedersachsen e.V." angeschlossen und sieht sich als regionale, eigenständige "Zweigstelle" dieses bundesweit einzigen Zuchtverbandes, der ausschließlich Kaltblutpferde betreut. Das Zuchtbuch ist offen für alle Kaltblutrassen.

Der Vorsitzende des Hessischen Kaltblutzucht Vereins ist Reinhard Rausch, 54, Versicherungs Agent und Mitglied der CDU-Kreistagsfraktion des Kreisverbands Waldeck-Frankenberg .

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Der Vater von El Paso ist:

Egmont DE 487871758102
Braun v. Eckbert-Elias, Pr.-Kl. II,
165 cm, ZLP 2006 Gesamtnote 7,76,

Besitzer/Standort:
Hans Bollmann,
Hauptstr. 4a,
35239 Steffenberg,
Tel.: 06464-7319 oder 0171-2149379
Hessen

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Die deutsche "Vieh-Verkehrs-Verordnung"

schreibt in der seit 9. März 2010 geltenden Neufassung vor, dass alle nach dem 1. Juli 2009 geborenen Equiden-Fohlen mit einem elektronischen Transponder, dem sogenannten Chip gekennzeichnet werden müssen. Nach der EU-Verordnung Nr. 504/2008 ("Regelung der Methoden zur Identifizierung von Equiden" ) ist das Chipen eine Kann-Regelung.

Fohlen dürfen weiterhin zusätzlich gebrannt werden.

Der Chip/Transponder ist ein elektronisches Hilfsmittel für die automatisierte Erkennung von Tieren. Er hat in aller Regel die Maße von ca. 12 x 2 mm, seine Hülle besteht aus einem gewebeverträglichem Material (Kunststoff oder Glas, je nach Konzept des Herstellers). Das Implantat besteht intern aus einer Antennenspule und einer Datei mit einer vorgeschriebenen 15-stelligen Identifikationsnummer.

Der Transponder ist passiv, das heisst, erst beim Ablesen mittels Lesegerät, wird er "angeregt", seine Daten zu übertragen. Der implantierte Chip sendet keine eigene Strahlung aus, er wird vielmehr lediglich beim Ablesevorgang kurzzeitig durch die niederfrequenten Radiowellen des Lesegerätes aktiviert und überträgt die gespeicherte Identifikationsnummer auf das Lesegerät.

Die Implantierung des Chips erfolgt mittels eines Einmalinjektors, eine Betäubung des Fohlens ist meist nicht notwendig. Der Chip mit seinen 15 Ziffern ist ISO-kodiert - die ersten drei Ziffern kennzeichnen beispielsweise das Herkunftsland des Pferdes (Deutschland ist z.B. 276), weitere zwei Ziffern kennzeichnen bei Chips neuerer Generation die Tiergattung (in diesem Fall Equiden).

Bei Pferden wird der Transponder intramuskulär in der Mitte der linken Halsseite (in den Musculus rhomboideus) oder im mittleren Halsdrittel des Nackenband-Kammfell-Bereiches implantiert.

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Kennzeichnung von Pferden
Heißes Eisen

Soll Pferden ein Brandeisen aufs Fell gedrückt oder besser ein Chip tief unter die Haut implantiert werden? Beide Kennzeichnungsmethoden sind kein Vergnügen für das Fohlen. Darüber, welche grausamer ist, wird erbittert gestritten.


Exzerpt eines Artikels von GABRIELE POCHHAMMER
Süddeutsche Zeitung, 20. Februar 2012


Trakehner Pferde mit der Elchschaufel auf dem linken Hinterschenkel, Holsteiner mit einem umrandeten H, Hannoveraner mit randlosem H und Pferdeköpfen, zum Teil jahrhundertealte Brandzeichen für Pferde sind auch ein Markenzeichen der Züchter und ihrer Verbände.

Seitdem die Europäische Union zur einwandfreien Identifikation von Pferden den Mikrochip eingeführt hat, wollen viele Politiker und Tierschützer den Brand verbieten.

Brandzeichen wie Chip werden gesetzt, wenn das Fohlen noch bei der Mutter ist, also nur wenige Monate alt. Beim Brennen wird ein heißes Eisen eine Sekunde lang aufs Fell gehalten, das Brandmal inklusive einer zweistelligen Nummer bleibt auf der Haut lebenslang sichtbar.

Beim Chipen wird ein etwa zwei Zentimeter langer Mikrochip mit einer Kanüle an den oberen Halsrand gesetzt, aber nicht, wie bei Hunden, unter die Haut, sondern tief ins (Muskel) Gewebe. Andernfalls würde er verrutschen, wenn sich das Pferd wälzt oder scheuert.

Beide Kennzeichnungsmethoden sind Stress für das Fohlen. Ein erbitterter Streit in der Pferdeszene wird nun um die Frage geführt: Welcher Stress ist tierfreundlicher?

Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat beantragt, den sogenannten Brand plus DNA-Typisierung weiterhin alternativ zum Mikrochip zu erlauben.

Der Agrarausschuss des Bundesrates hat am vergangenen Donnerstag seine Entscheidung vertagt, um sich mit zwei neuen Gutachten zu befassen, die untersucht haben, inwieweit Brennen und Chippen für das Tier schmerzhaft sind.

Die Diskussion wurde schon lange nicht mehr mit sachlichen Argumenten geführt. Der Deutsche Tierschutzbund warf den Pferdezüchtern vor, den Fohlen die Schmerzen des Brennens zuzumuten, um sie später, mit dem sichtbaren Markenzeichen auf dem Schenkel, teurer verkaufen zu können.

Gekrönt wurden die Vorwürfe mit einer Anzeigenkampagne: Das blutige hannoversche Brandzeichen auf der Schulter einer nackten jungen Frau. Das Lager der Gegner stellte das Brennen von Fohlen auf eine Stufe mit Käfighaltung von Legehennen und dem Kastrieren von Ferkeln ohne Betäubung.

Alles das sollte eigentlich verboten werden. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) jedenfalls weigerte sich zuletzt, das vorgesehene "Gesamtpaket" noch einmal aufzuschnüren. Eine Delegation hochrangiger Pferdeleute wurde bei einem Treffen in Berlin Ende September im Stehen abgefertigt, Aigner beendete den Termin nach 15 Minuten. Zu "unwürdigem Gezappel" sei man von der Ministerin gezwungen worden, schrieb Doppelolympiasieger Hinrich Romeike empört in einem offenen Brief.

Der Schweizer Mediziner Urs Schatzmann gilt als Autorität auf dem Gebiet der Schmerzforschung beim Pferd. Alle Gutachten zum Thema Schmerz beim Brennen beziehungsweise Chippen hat er durchforstet und festgestellt, dass nicht zu belegen ist, ob überhaupt und in welchem Maße Pferde bei der einen oder anderen Methode Schmerzen empfinden. Schließlich können sie weder reden noch laut aufjaulen.

Deutlicher wird der zweite Gutachter, der Hamburger Dermatologe Professor Volker Steinkraus. Er untersuchte 70 Pferde, 30 waren gebrannt, 30 nicht gebrannt, zehn gechippt. Die Haut in der Region des Brandes war zwar vernarbt wie nach oberflächlichen Verletzungen, aber Steinkraus fand keine Anzeichen von Entzündung.

Anders beim Chippen: In allen Fällen wurde der Chip als Fremdkörper von Gewebe ummantelt, verbunden mit entzündlichen Abläufen. Während Hautverletzungen, wie sie das Brennen hervorruft, problemlos abheilen, empfindet der Körper den Chip offenbar lebenslang als störend. Im schlimmsten Fall bildet er eitrige Geschwüre, um ihn los zu werden. Solche Verletzungen gibt es beim Brennen nicht.

Ungeklärt sind auch die Wege des Mikrochips im Pferdekörper. Manche Chips sind nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr aufzufinden, andere an Stellen, an denen sie nichts zu suchen haben, etwa in der Nähe des Genicks. Das kann Probleme beim Reiten geben, wenn das Pferd den Hals biegen soll. Befürworter weisen darauf hin, das im Trab- und Galopprennsport schon seit Jahren alle Pferde gechippt werden, Verletzungen seien sehr selten.

Das bestreiten auch die Befürworter des Heißbrands nicht. Sie möchten nur die Wahl haben.


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