Hinrich Romeike lässt Marius in Rente gehen

Der Zahnarzt Hinrich Romeike gewinnt bei Olympia 2008 mit seinem Schimmel Marius Gold

GABRIELE POCHHAMMER

Der 18jährige Schimmel, mit dem Hinrich Romeike, 48, in Hongkong 2008 zwei Goldmedaillen gewann, wird keine Turniere mehr bestreiten, sondern seinen Ruhestand auf den idyllischen Weiden im holsteinischen Örtchen Nübbel verbringen.

„Marius fühlt sich nicht mehr an wie früher, er ist steifer geworden“, sagt Romeike. 2009 war bei Marius eine Sehnenverletzung am Vorderbein aufgetreten. Das ist bei Sportpferden nicht selten, bedeutet aber fast immer das Ende der großen Karriere.

Romeike und Marius haben ihren Platz in der olympischen Geschichte trotzdem sicher. Der Zahnarzt, der sich die Zeit fürs Training von seinen Praxisstunden abknapsen musste, und der Holsteiner aus uralter Bauernzucht waren schon zu ihrer sportlichen Blütezeit ein lebender Anachronismus.

Der letzte Amateur im Pferdesport verdankt seinen Erfolg einem einzigen Pferd, das im Alter von fünf Jahren in seinen Stall kam und mit dem er auf schnurgeradem Weg nach vorne galoppierte. Ihre Gegner waren Profis, die jeden Tag im Sattel verschiedener Pferde sitzen, an vielen Wochenenden mit einem ganzen LKW voller Vierbeiner losfahren und ihnen an Prüfungsroutine weit überlegen waren.

Romeike und Marius wurden ein bisschen belächelt anfangs: Brav kamen sie daher mit ihrer sauberen Dressur, nie schneller im Gelände, als angeraten schien, was meist zu langsam war. Und im Springen fielen auch noch häufig die Stangen, Marius nahm sie einfach nicht ernst. Amateure eben alle beide, von denen ein Profi nichts zu befürchten hatte.

„Nettes Pferdchen“, sagte eine erfolgreiche Olympiaamazone nach dem ersten Auftritt des Paares in Luhmühlen, „aber nichts für ein Championat.“ So dachten viele.

Sie übersahen, dass Marius und Romeike mit anderen Qualitäten punkteten: Mit bedingungslosem Vertrauen zueinander. Marius spürte, dass sein Reiter nichts Unmögliches von ihm verlangte, und Romeike war klug genug, sein Pferd machen zu lassen. „Er sucht sich selbst den Weg zwischen den roten und weißen Flaggen“, sagte er. Und zwar immer den kürzesten.

Kein Sturz, keine Verweigerung trüben die Laufbahn dieses Pferdes. Wenn  der Schimmel mit gespitzten Ohren auf eine Hinderniskombination zugaloppierte, unaufgeregt jede noch so vertrackte Klippe nahm, dann spürte auch der Zuschauer am Rande die Einheit von Reiter und Pferd, die so häufig beschworen und so selten gelebt wird.

Schnell ritt Romeike Marius nur einmal im Jahr, beim jeweiligen Championat. Die Zeit war schon deswegen immer besser, als sie aussah, weil er nicht mit Marius diskutieren, ziehen und zuppeln musste, sondern einfach von Start bis Ziel durchgaloppieren konnte.

'The flying dentist' nannten die Briten, die Könige der Vielseitigkeitsreiterei, Romeike anerkennend und auch ein bisschen fassungslos; Dass es so etwas (noch?) gab.

Romeike und Marius waren schon in Athen 2004 dabei, als das deutsche Team Olympia-Gold wegen eines technischen Versehens wieder abgeben musste. Am Ende war Romeike auf Platz fünf bester Deutscher.

2008 dann aber der Olympiasieg für die Mannschaft, und auch noch der, in zwei Springparcours entschiedene Einzelsieg. Der Schimmel hat nur wenige Kurse in seinem Leben ohne Abwurf gemeistert, dieser gehörte dazu.


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Er ist ein bisschen steif geworden
Hinrich Romeike schickt sein Gold-Pferd Marius in Rente - der letzte Amateur des olympischen Vielseitigkeitsreitens zieht sich zurück

von Gabriele Pochhammer
Süddeutsche Zeitung, 26. März 2012



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