Springreiten: 2022 werden „Zuckis“ verboten sein

Eine Anwendung, die noch effektiver ist als das skandalöse Barren, wird dem interessierten Laien und Pferdefreund erst mit dem Verbot durch den Internationalen Pferdesport Verband bekannt. Haben die Anwälte und Werbe-Filmchen-Bastler der Tierrechtler so lange gegen ihre ebenso haltungslosen Kollegen bei den großen Züchtern den Schwanz eingezogen?

Exzerpt des Artikels in
Süddeutsche Zeitung
23. November 2017

Von GABRIELE POCHHAMMER


Auch wenn die Dopingregeln im Sport mit dem Partner Pferd strenger sind als im Sport von Menschen untereinander, auch wenn sich eine ganze Abteilung im Weltverband mit dem Tierschutz befasst, entdecken Pferdesportler immer wieder etwas, womit sie sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. In diesem Fall sind es die Springreiter, die ihren Pferden „helfen“ wollen, beim Sprung über die Hindernisse eine Berührung der bunten Stangen und damit einen mit Minuspunkten bestraften Abwurf zu vermeiden.

Auf der Generalversammlung der FEI (Internationale Pferdesport Vereinigung) in Montevideo wurde nun beschlossen, (in fünf Jahren) übertrieben stramme Bandagen und Gamaschen an den Hinterbeinen der Pferde zu verbieten. Diese bringen die Pferde dazu, den Kontakt mit dem Hindernis peinlichst zu vermeiden. Aufmerksame Zuschauer am Abreiteplatz konnten es in den letzten Jahren immer häufiger beobachten: Ein Helfer zieht mit einem energischen Ruck noch schnell den mit elastischen Verschlüssen versehenen Beinschutz nach, dann geht's ab in den Parcours.

Extrem stramm angezogene Bandagen nehmen Einfluss auf die Ausführung von Bewegungen und damit auf den Ablauf über dem Hindernis. Nicht ohne Grund heißen diese Hinterhand-Gamaschen in Reiterkreisen "Zuckis". Ihre Wirkung konnte man bei den jungen Hengsten besonders gut beobachten, die auf Auswahl-Schauen (Körungen) ihre guten Gene, auch beim Überqueren von Hindernissen, zeigen sollen. Manche kamen, mit solchen Bandagen an den Hinterbeinen, schon hektisch hereingetrabt, bei jedem Tritt das Bein krampfhaft fast unter den Bauch gezogen. Über dem Sprung machte manches Pferd dann fast einen Handstand-Überschlag, um ja keinen Teil des Hindernisses zu berühren. Natur und Tortur waren hier nicht mehr auseinanderzuhalten.

Der Holsteiner Verband, die Nummer eins unter den Springpferdezuchten weltweit, verbot die Gamaschen vor einigen Jahren als Erster. Es sollte nicht heißen, die Holsteiner springen nur gut, weil sie zweifelhafte Hilfsmittel anwenden. Andere Zuchtverbände folgten. Schließlich wurden Zuckis bei Springprüfungen für alle jungen Pferde verboten.

Im Spitzensport erfreuen sich die Hinterhand-Gamaschen bis heute weiterhin großer Beliebtheit. Zwar werden inzwischen alle Pferde nach dem Parcours kontrolliert, stichprobenartig auch vorher. Manchmal lassen die Stewards die schlimmsten Exemplare abnehmen. Sanktionen, Strafen gab es „so gut wie nie“. John Roche, in der FEI für den Springsport verantwortlich, forderte nun im letzten Sommer in einem „Brandbrief“ das Verbot der strammen Hinterhand-Gamaschen und –Bandagen. Begründung:

1. Sie verfälschten den sportlichen Wettbewerb, wie jedes leistungssteigernde Equipment.

2. Sie verfälschten die Zucht. Hengste, die damit beeindruckend über die Hindernisse gehen, versprechen, dieses Merkmal zu vererben. Ohne Gamaschen sind sie aber plötzlich ganz normale Pferde, um die sich kein Züchter mehr reißt.

3. Internationale Parcoursbauer beklagten, dass es kaum noch möglich ist, das Feld innerhalb des Regelwerks zu selektionieren, weil zu viele Pferde fehlerfrei bleiben und somit die Starterfelder im Stechen viel zu groß werden. Beim Stuttgarter Weltcup am vergangenen Wochenende erreichten 16 von 40 Paaren das Stechen. Die letzten vier mussten ohne Preisgeld nach Hause fahren.

Die FEI hat am Dienstag beschlossen, welche Ausrüstung sich am Hinterbein eines Springpferdes befinden darf. Erlaubt ist „mehr oder weniger“ nur ein Schutz des Fesselgelenks, der keine eigene (spezielle weitere) Funktion hat, außer Verletzungen durch Anstoßen am Hindernis oder auch durch die eigenen Hufeisen zu verhindern. Diese „einfachen“ Schutzkappen dürfen nur höchstens 16 Zentimeter breit (hoch?) sein; Sie dürfen keine eingebauten Druckpunkte (sieh da!) enthalten und müssen, wenn überhaupt, ganz weich gepolstert sein.

Dies soll ab 2019 nur für Ponyreiter gelten;
Ab 2020 für Junioren und Junge Reiter;
Ab 2022, in fünf Jahren(!!) also, für alle.

Von Seiten des Spitzensports gab es so gut wie keinen Widerstand. Ludger Beerbaum:
„Wir hatten (allerdings jede Menge!) Zeit, uns umzustellen. Mag sein, dass einige Pferde jetzt anders springen werden als vorher.“ Also mit mehr Springfehlern als früher. Was natürlich ihren Marktwert verringern wird. Befürchtungen, die Zuckis könnten schwächeren Reitern und Pferden Erfolge ermöglicht haben, die sie ohne sie, nur auf Grund ihres reiterlichen Könnens und des Vermögens ihres Pferdes, nicht erreicht hätten, will Bundestrainer Otto Becker nicht(?) teilen:
„Ich bin überzeugt, dass dieselben Reiter nach wie vor vorne stehen werden.“

Ob das auch für die Pferde gilt, ob es einen völlig neuen Sport gibt, wird man sehen. Oder ob alles so bleibt, weil sich „findige Geister“ schon längst wieder etwas Neues ausgedacht haben.

Bemerkenswert: Diese Zucki-Manipulation, die viel wirksamer ist, gleichzeitig aber wohl viel weniger Skandalpotenzial besitzt als das einst ominöse Barren, fand nicht das geringste Interesse weltweit agierender, artgerecht großmäulig heuchelnder Tierrechtler aus USAsistan. Ein weiterer Beleg für deren monetär relativierende Tierliebe, die das Töten von Fundtieren für gerechtfertigt hält, wenn damit gesparte Unterhaltskosten die Finanzierung möglichst krass skandalisierender, megaklickfähiger Werbefilmchen zur emotionalen Befeuerung von Empörtheit und Spendenbereitschaft sichern.

Nur so ein kollateraler Gedanke zum Artikel von Gabriele Pochhammer.

Karlheinz Damerow

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