"Richtige" Wildpferde gibt es nicht nur in Dülmen nicht mehr

Der Herzog und die Pferde vom Merfelder Bruch

Tierschutz und „Wildpferde“ -
Ausweg aus einem Dilemma?


Eine "richtige" Wildnis gibt es einfach nicht mehr. Also wilder als hier geht's nicht.

Im Merfelder Bruch bei Dülmen, zwischen Autobahnen, ist die einzige "Wild"-Pferde-Herde Europas zu Hause.

Exzerpt eines Artikels von BIRGIT LUTZ


Auf 360 Hektar Land können sich die 400 Dülmener Wildpferde bewegen. Hier werden sie gerade auf den Fotografen zugetrieben. FOTO/S: HENNING KAISER/DPA/PA


Die Erde unter den Füßen beginnt zu beben. Mit jedem Meter, den das Zittern und Dröhnen näher kommt, wird man ein bisschen wacher und aufmerksamer, spitzt man gleichsam die Ohren.

400 Pferde galoppieren über eine steppenartige Wiese, Staub wirbelt auf, hüllt die Herde ein, die sich in Wellen weiterbewegt, schneller und wieder langsamer wird. Vor dem kleinen Grüppchen Menschen dreht die Herde ab, sie überrennt die Staunenden nicht, sondern baut sich vor ihnen auf, abwartend, neugierig, fluchtbereit...

So beginnt ein Besuch bei den Dülmener Wildpferden, der einzigen Herde von "wilden" Pferden, die es in Europa noch gibt, mitten in Westfalen.

Die Oberforstinspektorin Friederike Rövekamp ist zuständig für die Wildpferdeherde. Sie kennt die Tiere und den immanenten Widerspruch "wilde Tierhaltung". Zwei bis vier Besuchergruppen täglich erklärt sie, warum es im Merfelder Bruch, einem Moorgebiet, heute Wildpferde gibt.

Weil hier schon vor etwa tausend Jahren eine ganze Reihe dieser Herden lebten, die gemeinsam von Bauern genutzt wurden - als Fleischlieferanten. Die Bauern kreuzten im Lauf der Zeit Hauspferde in die Herden ein, um die Tiere dicker und den Fleischertrag größer zu machen.

Die Pferde vermehrten sich und entwickelten sich vom Segen zur Plage: Sie fraßen den Bauern die Ernten weg. Worauf der Mensch die Pferde zu jagen begann, bis sie nahezu ausgerottet waren.

Alle, bis auf die Herde im Merfelder Bruch: "Die hat man vergessen. Wegen des hohen Grundwasserspiegels wurde hier wenig Ackerbau betrieben. Daher störten sie die Menschen nicht so."

Mitte des 19. Jahrhunderts errichtete der Herzog von Croÿ, dem das Gelände gehörte, auf das sich die Tiere zurückgezogen hatten, ein Reservat. Er zog einen Zaun um die Herde herum, 400 Tiere auf rund 360 Hektar Land.

Seitdem geht es hier um die Frage, ob die Dülmener Wildpferde noch "wild" sind und ob überhaupt noch ein Tier "wild" sein kann in unserer vom Menschen dominierten Welt.

Des Öfteren schneiden Leute, die sich "Sorgen um die Tiere" machen, Löcher in die Zäune und hängen Schilder auf: "Freiheit für die Wildpferde". Eine Auffassung von Freiheit, mit der sie den Wildpferden zwischen zwei Autobahnen allerdings ernste Sorgen bereiten. Nur, einen Gefallen tun sie ihnen damit nicht.

Trotz einstiger Einkreuzungen mit Hauspferden ähneln die Dülmener Wildpferde noch immer dem Tarpan, einem Urpferd, das seit dem Zweiten Weltkrieg im polnischen Masuren wieder rückgezüchtet wurde. Die Dülmener Herde besteht aus Stuten und Fohlen - und die Stuten werden nun jährlich von einem der Hengste aus Masuren gedeckt, damit dieses Erbmaterial erhalten bleibt.

"Wir versuchen, die Lebensbedingungen der Pferde so weit es geht so zu gestalten, als würden sie wild leben", sagt Rövekamp. Das bedeutet zum Beispiel: Es kommt kein Tierarzt. "Ein Entwurmungsversuch hat vor einigen Jahren etlichen Tieren das Leben gekostet. Also lassen wir das bleiben".

Im Anschluss beobachteten sie, dass die Pferde ihre eigene Wurmkur machen: Sie gehen in den Wald und fressen Baumrinde - darin sind Gerb- und Bitterstoffe enthalten.

"Ein wildes Pferd "weiß" so etwas. Deshalb ist es wichtig, alte Rassen zu erhalten. Diese Pferde sind robust, kompetent und an den Lebensraum angepasst - sie brauchen keinen Menschen." Manche Eingriffe dagegen müssten sein. "Man kann Tiere nicht erst einzäunen und dann sich selbst überlassen. Das wäre grausam."

Im Reservat fehlen "natürliche" Feinde, Fressfeinde, die sich schwache Tiere aus der Herde holen könnten. "Wir leisten deshalb Sterbehilfe und erlösen altersschwache Pferde. In der "Wildnis" würden dies Wölfe oder Bären tun."

Und, weil die Tiere ihrer Nahrung nicht hinterherwandern können, wird im Winter Heu zugefüttert. Dabei werde stets versucht, die Tiere so wenig wie möglich an menschliche Präsenz zu gewöhnen und ihr natürliches Verhalten nicht zu beeinflussen.

Umso größer muss der Stress beim jährlichen traditionellen Wildpferdefang sein. Ein Ereignis zu dem rund 15.000 Besucher zu Bratwurst, Musik, und viel lautem Gedöns auf das Gelände strömen.

"Die Jährlingshengste müssen gefangen werden", sagt Rövekamp, "weil sie sonst versuchen würden, eigene Herden zu bilden." Die Tiere würden sich so stark vermehren, dass sie bald zu viele für das Areal wären. Es käme zu gefährlichen Rivalenkämpfen.

Die Herde wird in eine mit Zuschauern besetzte Arena getrieben, wo die Jungshengste von Fängern per Hand eingefangen, aufgehalftert und von der Herde getrennt werden.

"Selbstverständlich gibt es schönere Tage im Leben der Pferde. Andererseits folgen auf diesen einen Tag dann wieder 364 andere, an denen die Tiere ihre Ruhe haben." Und nicht zuletzt sei dies der einzige Tag, an dem mit der Herde Geld eingenommen werden könne. Denn die Hengste werden im Anschluss versteigert - um die 400 Euro werden für eins der begehrten Dülmener Pferde bezahlt.

Im vergangenen Jahr hat eine aufgeregte Stute einem Fohlen gegen den Kopf getreten und es dadurch getötet. Der obligate Rundum-Protest von Tierschützern löste fast das Ende des Junghengstefangs und damit der ganzen Herde aus.

Um den Stress für die Tiere zu minimieren, werden heute Familienverbände ohne einen Junghengst gar nicht erst ins Stadion getrieben (wozu auch?), und die Fänger werden geschult, behutsamer vorzugehen und sich das "natürliche Verhalten" (welches, wie?) der Tiere beim Fang zunutze zu machen.

Albert Huesmann ist einer der Fänger. Der 46-jährige Landwirt ist seit 27 Jahren beim Fang dabei, wie schon sein Vater vor ihm. "Man kann die Hengste nicht stressfrei von der Herde trennen". Tierquälerei ist das aber nicht, sagt er. "In der Herde lassen kann man sie aber auch nicht."

Friederike Rövekamp steht auf der staubigen Weide und schaut immer noch auf die abwartend neugierige, fluchtbereite Herde... "Wir versuchen hier, alles richtig zu machen", sagt sie, "aber was wissen wir schon, was richtig und was falsch ist für diese Tiere? Eine richtige Wildnis gibt es einfach nicht mehr."

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Wilder geht's nicht
Mitten in Westfalen ist die einzige Wildpferdeherde Europas zu Hause. Doch die Natürlichkeit hat Grenzen: Der Merfelder Bruch liegt zwischen Autobahnen. Und die spektakuläre Trennung der Junghengste ist umstritten.

von BIRGIT LUTZ
Süddeutsche Zeitung, Sa/So, 31. Mai/1. Juni 2014
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Der Pferdeherzog vom Merfelder Bruch

Meine Pferde kennen keine Menschen, von denen Böses ausgeht. Unsere Verpflichtung ist es, zu versuchen, ihre Art zu erhalten. Sie sollen mit dem Leben zurechtkommen.

Exzerpt eines Artikels von CHRISTOPH DRIESSEN
in Westdeutsche Zeitung, 9. Mai 2014

und: dpa-newskanal,
in: Süddeutsche Zeitung, 27. April 2014

Siehe auch: Die Bedeutung des Leerkauens bei Pferden aus der Sicht der Physiologie und der Ethologie,
Dissertation von MARION WICKERT (Opladen) an der FU Berlin, 2012.


Mit wehendem weißen Haarschopf steht Rudolf Herzog von Croÿ inmitten von mehr als 400 Wildpferden, und alle gehören sie ihm. Wie sich das anfühlt? "Es gibt keinen besonderen Besitzerstolz", murmelt er, "es ist eine Verpflichtung."

Wildnis: Ein Bid vollkommener Ruhe

Hier im Merfelder Bruch in Westfalen hört man nur den Wind, die Vogelstimmen und das Rupfgeräusch beim Grasen der unersättlichen Pferdemäuler.

Die Herde verteilt sich über eine große Wiese am Waldrand. "Wild", im Sinne von ungestüm, wirken diese Ponys ganz und gar nicht. Im Gegenteil, es ist ein Bild vollkommener Ruhe.

Die Fellzeichnung der Pferde deckt alle denkbaren Brauntöne ab - von Sandfarben über Beige und Ocker bis Dunkelbraun. Über den Rücken zieht sich eine wie mit dem Pinsel gemalte Linie, der sogenannte Aalstrich.

Jetzt im April haben viele Stuten Nachwuchs. Ein Fohlen stupst seine Mutter, als wolle es sie zum Spielen auffordern. Ein anderes knabbert seiner Mutter an den Ohren. Von Croÿ: "Das dient dem Sozialkontakt. Wenn das Fohlen geboren wird, wollen die Stuten niemand anderen in der Nähe haben, höchstens Familienmitglieder. So kann das Fohlen direkt ihren Geruch aufnehmen."

Rudolf Herzog von Croÿ: "Meine Pferde sollen keine Schleifen beim Turnier gewinnen, sie sollen mit dem Leben zurechtkommen."

Im Umland wird von Croÿ nur "der Herzog" genannt. Diesem Bild wird er durchaus gerecht. Mit einer gewissen landadeligen Noblesse stapft er kerzengerade durchs Gras und lässt seinen Blick über das weite Land schweifen.

1316 seien die Pferde erstmals erwähnt worden, erzählt er. "Dülmener Brücher" nannte man sie früher. Mitte des 19. Jahrhunderts schuf dann sein Ururur...großvater ein eingezäuntes Reservat, das den damals nur noch etwa 40 Tieren das Überleben sicherte.

Andere Herden, die damals noch durch die nordwestdeutsche Heide- und Moorlandschaft streiften, starben in den Jahrzehnten der Industrialisierung allesamt aus.

Von Croÿ lebt ganz in der Nähe auf einem Anwesen aus dem 15. Jahrhundert, das vollgestopft ist mit Ölgemälden und Antiquitäten - alles Erbstücke seiner Familie, die es nach der Französischen Revolution ins Westfälische verschlug. Aber die Historie scheint ihm lange nicht so viel zu bedeuten wie die Pferde.

"Eines ist mir wichtig", sagt er, "wir sind keine Pferdezüchter, wir versuchen, eine "Art" zu erhalten. Meine Pferde sollen keine Schleifen beim Turnier gewinnen, sie sollen mit dem Leben zurechtkommen."

Das Dülmener Wildpferd ist eine Ponyrasse im Merfelder Bruch bei Dülmen im Münsterland. Die etwa 400 Tiere umfassende Herde lebt in einem 360 Hektar großen Areal. Genetisch betrachtet sind es keine "reinen" Wildpferde, da sich immer wieder Hauspferde in die Herde gemischt haben. Die Bezeichnung "wild" bezieht sich auf die Lebensweise: Der Mensch hält sich so weit wie möglich zurück.

Die Wildpferde aus dem Merfelder Bruch gehen ohne Hufschmied und Tierarzt durchs Leben, sie haben keinen Stall und keinen Namen. Nur Heu erhalten sie im Winter vom Menschen. Und manchmal, wenn sich ein altes Tier sehr quält, bekommt es den Gnadenschuss.

Obwohl die Dülmener Wildpferde nur selten mit Menschen in Kontakt kommen, sind sie nicht scheu. Man kann bis auf wenige Schritte an sie herangehen, und sie bleiben immer noch entspannt im Gras liegen. "Die kennen keine Menschen, von denen Böses ausgeht", sagt ihr Besitzer.

Das Spektakel:
Der jährliche Wildpferdefang

Einmal im Jahr allerdings, am letzten Samstag im Mai, werden die Pferde in einer Arena, vor 15 000 Zuschauern, zusammengetrieben. Dann erzittert die Erde unter ihren Hufen, und der berühmte Wildpferdefang von Dülmen beginnt.

Männer von umliegenden Bauernhöfen betätigen sich als Fänger: Mit bloßen Händen packen sie den Hals eines jungen Hengstes und versuchen, ihm ein Halfter anzulegen.

Anschließend werden die etwa 30 Jährlinge versteigert. Wenn der männliche Nachwuchs in der Herde bliebe, käme es zu Rangkämpfen. Die unterlegenen Hengste hätten keine Rückzugsmöglichkeit vor ihren Rivalen und vor allem vor den Stuten(!) und würden gegen die Zäune getrieben.

Tierschützer kritisieren, dass die Pferde zur Belustigung der johlenden Menge von Zuschauern großem Stress ausgesetzt werden.

Friederike Rövekamp, die Oberförsterin im Merfelder Bruch, ist zwar Angestellte des Herzogs, sagt aber über den Wildpferdefang: "Das ist der beschissenste Tag im Leben der Herde. Aber es ist wenigstens nur einer." Nach ihrer Überzeugung gibt es keine bessere Möglichkeit, die Hengste aus der Herde auszusondern.

Alle Fänger werden mittlerweile von einer Expertin der Tierärztlichen Hochschule Hannover geschult. Früher sollten sie zeigen, was für harte Burschen sie waren. "Jetzt vermitteln wir: Ein guter Pferdefänger ist gerade besonders sensibel und hat Köpfchen", sagt Rövekamp.

Wenn möglich, soll er das Pferd beim Fangen gar nicht mehr zu Fall bringen, sondern ihm im Stehen das Halfter anlegen. Denn ein unfreiwillig am Boden liegendes Pferd steht Todesängste aus: Auf der Flucht vor Wolf oder Bär bedeutete ein Sturz meist das unwiderrufliche Ende für das Pferd.

Was Pferde schonender daran sein soll, dass es beim Wildpferdefang inzwischen keine Brandzeichen mehr gibt, dass den Tieren dafür ein Chip in den Hals eingesetzt wird, mag wohl (nur?) ahnungslosen Tierfreunden einleuchten. Ein Halfter aus weicher Baumwolle wird ebenfalls kaum stressmildernd beim Pferd ankommen. Eher wohl noch, dass Familienverbände, die keinen Jährlingshengst haben, nicht mehr zusammen mit der ganzen Herde in die Arena (umzingelt von einer johlenden Menge) getrieben werden. (Karlheinz)

Gleichwohl gab es 2013 erstmals in 107 Jahren einen ernsthaften Zwischenfall: Eine Stutfohlen wurde von einem älteren Tier so unglücklich mit dem Huf am Kopf getroffen, dass es starb. So etwas könne leider immer passieren, sagt Rövekamp. "Das ist auch ein Stück Natur - es geht nicht immer gut. Aber das ist heute schwer zu vermitteln: Tote Fohlen darf es nicht geben."

Der Beliebtheit des Wildpferdegangs (= Nachfrage nach Eintrittskarten) hat das Unglück nicht geschadet (eher im Gegenteil?!). Die Karten waren auch diesmal schon Monate im Voraus nach gerade einmal 20 Minuten ausverkauft. Auf die damit verbundenen Einnahmen könne er nicht verzichten, sagt von Croÿ. Er kenne da einen passenden Spruch: "Mit Pferden kann man ein kleines Vermögen machen. Man muss nur vorher ein großes gehabt haben."

Noch immer steht er auf der Weide und schaut seinen Pferden zu. Ein Fohlen vollführt tolle Sprünge. "Das hat so richtig Spaß an seinem jungen Leben." Manchmal, an lauen Mai-Abenden, würden sechs oder sieben auf einmal Kapriolen schlagen, besser als in der Spanischen Hofreitschule.

Der Pferdeherzog wendet sich zum Gehen. Am Horizont ragt die Arena auf. Für die Jährlingshengste sind die Tage in "Freiheit" gezählt.

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Wer die ganzen Artikel lesen möchte, gehe zu:

Münsterland: Des Herzogs wilde Pferde

von Christoph Driessen
Westdeutsche Zeitung, 9. Mai 2014

und:

Der Herzog und die Wildpferde

dpa-newskanal,
Süddeutsche Zeitung, 27. April 2014


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Tierschutz und „Wildpferde“ -
Ausweg aus einem Dilemma?

Karlheinz Damerow


Ein paar Aussagen direkt Beteiligter

Rudolf Herzog von Croÿ, der Besitzer der Pferde im Merfelder Bruch bei Dülmen in Westfahlen:

„Wir sehen es als unsere Verpflichtung, diese Pferde zu erhalten. Sie sollen mit dem Leben in dieser nordwestdeutschen Heide- und Moorlandschaft zurechtkommen. Meine Pferde kennen keine Menschen, von denen Böses ausgeht.

Stress hat auch ein Dressurpferd.

Ohne die Einnahmen (aus der Fangveranstaltung) können wir die Kosten der Haltung nicht tragen.“

Friederike Rövekamp, Oberförsterin im Merfelder Bruch, Angestellte des Herzogs:

"Der Tag des Wildpferdefangs ist der beschissenste Tag im Jahr der Herde. Danach kommen aber 364 andere, und es gibt keine bessere(?) Möglichkeit, die Hengste aus der Herde auszusondern.“

Tierschützer

„Wenn Tiere am Tag des Wildpferdefangs in ein Rund mit 15.000 johlenden Menschen getrieben werden, dann ist das für sie negativer Stress, der durch keinen vernünftigen Grund gerechtfertigt ist.“

Albert Huesmann, Landwirt, seit 27 Jahren Fänger:

"Man kann die Hengste nicht stressfrei von der Herde trennen. Tierquälerei ist das aber nicht.“

Joachim Lasch in einem Leserkommentar in der Westdeutschen Zeitung vom 10. Mai 2014:

Es gibt eine Alternative zum Wildpferdefang als Hatz vor Publikum:

Die jungen Hengste können in aller Ruhe und bequem in Gattern von der Herde getrennt werden.

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Vorschläge zur Güte?

Karlheinz Damerow, ein Freund der "Dülmener Brücher", gemeinsam mit allen mehr oder weniger Beteiligten an der Diskussion um den Wildpferdefang:

Nur wenige werden bezweifeln, dass es ein ganz großer Glücksfall der Geschichte ist, wenn in unserem zersiedelten und industrialisierten Teil der Erde 400 Pferde ohne sonderliche Einwirkung von Menschen, „wild“ in einem Gehege ihres Besitzers Rudolf Herzog von Croÿ leben dürfen und sogar können. Niemand bezweifelt auch, dass es notwendig ist, die einjährigen Hengstfohlen aus der Herde zu entfernen.

Strittig ist nur die Art und Weise, mit der dies beim Wildpferdefang, dem "beschissensten Tag im Jahr der Herde" geschieht, wie ihn Friederike Rövekamp, die zuständige Revierförsterin bezeichnet.

Pferde sind Fluchttiere. Laute, ungewohnte Geräusche, umso mehr im Surround-Ambiente eines Tribünenrunds mit 15.000 ungebremsten Menschenkehlen, bedeuten für sie nicht nur ein bisschen Angst. Eine derart geballte Ladung von Stressoren löst maximalen Alarm, auch wenn es pathetisch klingen mag: Todesangst aus.

Die Pferdeantwort darauf: Losrennen mit voller Kraft. Ohne eine mindestens 400 Meter lange freie Gerade wird die Herde auf ihrer Massenflucht in der Arena in eine Kreisbahn gezwungen und so zum "Jäger" ihrer selbst.

Sollte tatsächlich die Bedienung von Cowboy-Klischees der Grund gewesen sein, dass die Jährlinge von "kernigen Burschen" in würgender Weise zu Boden gerungen werden mussten(?), nur um ihnen ein Halfter anzulegen? Ein Pferd erlebt ein erzwungenes Am-Boden-liegen, einen Sturz angesichts einer Lärmkulisse seiner Fressfeinde, Wolf oder Bär, sehr wahrscheinlich als Todesurteil, als sein Ende.

Auch wenn das Aufhalftern inzwischen „sensibler“ und sogar "mit Köpfchen" geschieht, die Vorführung der gesamten Herde und die dadurch unvermeidlich disstressige Jagd der jungen Hengste im lauten Tribünenrund, sind wohl kaum das Szenario, das Herrn von Croÿ vorschwebte, als er sagte: "Meine Pferde kennen keine Menschen, von denen Böses ausgeht."

Das geltende Tierschutzgesetz sagt:
Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen.“

Weder das plausible Ziel, die Zahl konkurrierender Hengste dem begrenzten Lebensraum der Herde entsprechend zu reduzieren, noch die objektive wirtschaftliche Notwendigkeit einer Einnahmequelle, um die Kosten der Haltung tragen zu können, taugen als „vernünftige Gründe“, die den Pferdefang in der bisherigen Form zweifelsfrei rechtfertigen würden.

Bleibt also die vorgebliche Alternativlosigkeit der Durchführung dieser Veranstaltung, was den Stress für die Tiere und die Funktion als Einnahme-Quelle für den Besitzer der Herde betrifft.

Stressminimierte Trennung mit Hilfe von Gattern

Joachim Lasch sieht als Alternative zum bisherigen Pferde-Fang-Spektakel, dass es machbar sei, die jungen Hengste in aller Ruhe und bequem in Gattern von der Herde zu trennen. Stressfrei wäre das nach seiner Meinung aber nur ohne Publikum möglich.

Die Tauglichkeit der Trennung mit Hilfe von Gattern erscheint mir einleuchtend und als die zweifellos schonendste Methode der Wahl. Sie mag Einigen weniger spektakulär erscheinen - allerdings ein Kriterium, das im Umgang mit Tieren wohl nur wenig zu suchen hat.

Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass die Trennung mit Hilfe von Gattern auch in der Gegenwart eines, dann immer noch begeisterten Publikums funktioniert. Die Nachfrage nach Karten für den Fangtag würde dadurch also nicht geringer.

Eine überzeugende Begründund im Vorfeld und eine entsprechend kompetente und sympathische Ansprache während der Veranstaltung können für den Zeitraum des Aussortierens der Jährlinge alle Zuschauer dazu bewegen, Mucksmäuschen still zu sein und von einem "Äkschn-Iiewent" auf den Genuss einer "heimlichen" Natur-Beobachtung umzuschalten - ohne auch nur den geringsten Verlust an Erlebniswert, ganz im Gegenteil.

Selbst den zehntausend, in der Mehrzahl durchaus nicht gerade sensations-abgeneigten Zuschauern bei den „Titanen der Rennbahn“ in Brück gelang es 2011, Mucksmäuschen still zu sein, als sich zehn Zehner-Gespanne, also hundert Pferde gleichzeitig im Stadion bewegten – Es geht, wenn man es wirklich will!

Notwendige Einnahmen für den Unterhalt der Herde

Es gibt ganz sicher viele Menschen, die sich mit mir darüber freuen, dass es die „Dülmener Brücher“ gibt, dass es heute noch möglich ist, eine so große Herde von Pferden so frei und „wild“ in Mitteleuropa zu halten. Dass die Kosten dafür selbst einen Herzog überfordern können, wird ebenfalls für viele nachvollziehbar sein.

Wie wäre es daher mit der Idee einer Patenschaft für eines dieser Pferde in der Größenordnung des durchschnittlichen Reinerlöses pro Besucher und Pferdefangtag. Jeder „Dülmener-Wildpferde-Pate“ verringerte die wirtschaftlich notwendige Mindestzahl vor Ort anwesender Zuschauer zur Deckung der Kosten der Herde für ein Jahr.

Würde der Beleg einer beglichenen Patenschaft vom Paten selber als freie Eintrittskarte für einen Tribünen-Platz am Pferdefangtag wahrgenommen, dann wird dennoch ein Teil des vom ihm vor Ort ausgegebenen Geldbetrags dem Erlös des Veranstalters zusätzlich zugute kommen. Von Paten nicht wahrgenommene Anwartschaften gehen über ins Kontingent von Eintrittskarten, die noch verkauft werden können...

Im Detail müsste natürlich noch über Einiges nachgedacht werden. Aber, wie wär's zunächst einmal mit den Ideen:

Trennung der Jährlingshengste von der Herde/Familie mit Hilfe von Gattern

Mucksmäuschen stilles Publikum

Dülmener Wildpferde-Paten

Schaun mer amal?!

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