1 New York
ohne Pferdekutschen?!

von ROGER COHEN,
New York Times, 14. März 2014
Übersetzung: Karlheinz Damerow

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2 Tierschutz als Tarnung?

Exzerpt eines Artikels von
von LAURENCE THIO,
Generalanzeiger Bonn, dpa

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3 Pferdefreunde oder Immobilienspekulanten?

Exzerpt eines Artikels
von STEFANIE BALL,
Mannheimer Morgen, 25. Januar 2014

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4 Für Pferdekutschen 2014

von Karlheinz Damerow


Vorwort

Bill de Blasio, der neue Bürgermeister von New York, hat Tierschützern, die seinen Wahlkampf mit Millionen schweren Kampagnen unterstützt haben, versprochen, die Pferdekutschen im Central Park verbieten zu lassen.

Sollte er dies tatsächlich tun, wäre der Kauf von Wählerstimmen ebenso legalisiert wie die offene Einflussnahme von Interessengruppen auf Entscheidungen von Politikern, die auf diesem Wege ins Amt gekommen sind.

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Eine US-amerikanische Schauspielerin Lea Michele spielt in einem Peta-Video auf dem Kuscheltier-Gefühlsklavier und beklagt, dass die Kutschpferde im Central Park gequält würden, unter anderem, weil sie bei jedem Wetter 'raus müssten.

Selbst wenn das stimmen würde - in Wahrheit haben sie behördlich verordnet bei Temperaturen unter minus sieben und über 32 Grad Celsius polizeiliches Arbeitsverbot:

Ist es nicht ein toller Glücksfall der Geschichte des Lebens, dass die Vorfahren der Pferde über Jahrmillionen in beheizten, trockengelegten, winddichteten Höhlen überlebt haben? - oder waren es endlose Steppen, mit trockenem, mageren Gras, bis an den Horizont?...

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Die schwule Tennisspielerin und Peta-Mitglied Martina Navrátilová beschwerte sich 2012 darüber, dass ein New Yorker Kutscher eine Gruppe von Lesben beleidigt habe. In einem Brief wandte sie sich an ihre Genderkollegin, die Präsidentin des Stadtrates und Gegnerin eines Kutschenverbots Christine Quinn, die gerade mit de Blasio um die Nominierung als Kandidat der Demokratischen Partei für die Wahl zum Bürgermeister kämpfte. Frau Navrátilová verlangte darin, Frau Quinn möge sich doch wegen des pöbelnden Kutschers endlich ebenfalls für ein Verbot der Pferdekutschen einsetzen. Ihre wimbledonfähigen Begründung:

Wer Schwule beleidigt, der ist ebenso von gestern, wie die Pferdekutschen. Nicht nur das, der quält auch seine Tiere.

Wie wahr, Frau Navrátilová. Ist es doch in diesen irren Zeiten 2.0 längst überfällig, dass sich Pferdehalter endlich auch um die vitalen Bedürfnisse ihrer schwulen Stuten, Wallache und Hengste kümmern.

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Der Kampagnenleiter von Peta e.V. in Deutschland, Peter Höffgen, meint: "Pferde gehören nicht in den modernen Straßenverkehr, weil sie keine Maschinen sind."

Ganz recht, Herr Höffgen, fünf tote Menschen, sechs tote Pferde und 98 verletzte Fahrgäste bei Kutschenunfällen im Jahr 2013 in Deutschland sind zu viel.

Ganz zu schweigen von Dreitausend Zweihundertneunzig toten und Zweihundertneunzig Tausend verletzten Menschen 2013 durch Verkehrsunfälle auf Deutschlands Straßen.

Angesichts dieser Zahlen wäre ein Verbot von Maschinen im Straßenverkehr absolut plausibel. Die Forderung nach einem Verbot von Pferdekutschen erscheint dagegen doch leicht übermotiviert. Um nicht zu sagen effektheischend und leicht hysterisch.

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Nicht selten bemühen Kutschengegner das stummfilmreife Bild von Kutschpferden als geschundene Sklaven unter der Peitsche tierquälender, gefühlloser Menschen.

Sowas gibt es auch. Aber ein pferdeschindender Betreiber eines Kutschengeschäfts vernichtet ebenso schnell seine Geschäftsgrundlage wie ein pausenlos-Vollgas-im-ersten-Gang fahrender Taxiunternehmer.

Pferde sind seit Millionen von Jahren Bewohner von Steppen, ungedüngtem Grasland. Ihre genetische Software befähigt sie bis heute, Strecken von zehn bis zwanzig Kilometern täglich auf der Suche nach magerem Gras und Wasser zurückzulegen.

Ein dem entsprechend artgerecht gehaltenes Pferd braucht auch 2.0 Bewegung, Arbeit. Experten meinen, jeden Tag mindestens zwei bis drei Stunden. Heerscharen von herumsitzenden Menschen, denen es mit ihrer steinzeitlichen Jäger-Software ähnlich geht, ernähren inzwischen eine florierende Fitness-Industrie.

Ein Pferd, das den größten Teil seiner Lebenszeit in einer 15 bis 20 Quadratmeter Box, selbst mit einem Aus"lauf", einem Paddock gleicher Größe davor verbringt, wird nicht annähernd so gesund und so alt, wie es dies mit regelmäßiger Arbeit könnte.

Nicht arbeiten zu dürfen bedeutet für ein Pferd einen vermeidbare Verkürzung seiner möglichen Lebensspanne. Heutigen Sport- und Freizeitpferden werden, wenn überhaupt, nur seltenst lebensverkürzende Leistungen abverlangt, wie sie alle Pferde der vor-automobilen Zeit und auch viele Pferde in der Landwirtschaft erbringen mussten.

Was Peta-Kampagnen heute als Schinderei von Pferden anklagt, ist weit davon entfernt.

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Der Mythos "Mensch und Pferd"

Allen Besuchern der Stadt New York, die seit 150 Jahren, eine Fahrt in einer von Pferden gewegten Kutsche durch den Central Park gemacht und als einen Höhepunkt ihres New York Erlebnisses bezeichneten, wird von Kutschengegnern gerne romantische Verblendung vorgeworfen. Ebenso wie zwei Dritteln der New Yorker Bürger, die gegen ein Verbot der Kutschen sind.

Wer sich ein klein wenig über die Geschichte der Pferdekutschen im innerstädtischen Straßenverkehr informiert hat, dem wird das Wort Romantik wohl kaum als Erstes in den Sinn kommen, wenn er begründen wollte, warum er auch Anno 2014 immer noch nicht möchte, dass Pferdekutschen verboten werden.

Die folgenden Informationen stammen aus:
Pferde im Stadtverkehr,
von Helmut Meyer,
in Pferdeheilkunde 21,
2005
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So lange Pferde als Transportmittel im Individual-, Massen- und Güterverkehr in Militär, Warenhandel und zuletzt in Land- und Forstwirtschaft alternativlos waren, bedienten sich die Menschen ihrer ganz selbstverständlich. So arbeiteten in New York, kurz nach 1900, also vor etwas mehr als vier Menschen-Generationen, ca. 130.000 Pferde allein in städtischen Betrieben.

Die letzten 300 von ihnen sollen nun aus dem Zentrum der Stadt verbannt werden, weil sie einigen Menschen nicht mehr alternativlos von Nutzen zu sein scheinen, weil ihre Ställe profitablen Neubauten in Wege sind und weil man vorgibt, sie von Qualen zu befreien zu wollen.

Je nach Einstellung des Betrachters duftet ein Pferd intensiv, oder stinkt nach Äpfeln (Kot) und Urin. Seine Hufeisen auf dem Pflaster sind laut. Sein Verhalten ist auch nach enger und langwährender Vertrautheit nicht vollständig berechenbar, ist also speziell im Straßenverkehr besonders sorgfältig zu beachten.

Diese Wirkung von Pferden auf ihre nähere Umwelt gilt unverändert heute noch, achtzig bis neunzig Jahre nach ihrer weitestgehenden Ablösung durch das Auto.

Übrigens versprachen sich viele Stadtväter vom Auto, dass es ein Umwelt freundlicheres, Risiko ärmeres, weniger Lärm und Schmutz verursachendes Verkehrsmittel sein würde als das Pferd.

Eine amerikanische Zeitschrift schwärmte gar 1903, das Auto sei die größte gesundheitsfördernde Erfindung der letzten 1000 Jahre. Die Kubikmeter Luft, die während einer Autofahrt buchstäblich in einen hineingepumpt werden, beleben müde gewordene Nerven, vertreiben Sorgen, Schlaflosigkeit und Verdauungsstörungen.

Der volle Einsatz der Pferde im Zugdienst im Inneren der großen Städte begann meist nach fünf bis sechs Jahren Jugend und Ausbildung auf dem Land. Je nach Straßenoberfläche erreichten Pferde Zugleistungen von 500 bis 3.000 kg, auf Schienen bis 10.000 kg.Pflastermüde Pferde kamen – möglichst bevor sich bleibende Schäden an Sehnen und Gelenken einstellten – zeitweise wieder auf Weiden(!).

Die Nutzungsdauer der Pferde war gering. In England blieben Pferde im leichten, aber schnellen Zug im Mittel nur drei, also bis zum siebten bis achten, andere fünf Jahre, bis zu ihrem neunten bis zehnten Lebensjahr dienstfähig. Ausgemusterte Pferde wurden teilweise noch von Landwirten übernommen.

Berliner Postpferde legten in vier bis acht Stunden durchschnittlich 26 Kilometer zurück. Die Abgänge pro Jahr lagen bei ihnen zwischen 10 bis 14 Prozent. Die Todesfälle um 2 Prozent. Als wesentliche Ursachen galten Erkrankungen der Gliedmaßen, des Verdauungskanals und Respirationstraktes.

Die Gliedmaßenerkrankungen, vor allem an Hufen und Gelenken, resultierten vorwiegend vom ständigen Traben auf hartem Pflaster. Die Verdauungsstörungen dürften oft durch Fehler in der Fütterung ausgelöst worden sein.

In Berliner Transportunternehmen erhielten die Pferde täglich bis 9 kg Krippenfutter neben je 4 kg Heu oder Stroh.

Unzweckmäßige Kombination und Zuteilung der Futtermittel können unschwer die auftretenden Koliken, Darmverlagerungen oder Magenrupturen erklären.

Eine typische Winterkrankheit war die Bronchitis. Sie soll durch die gebräuchlichen wasserdichten Segeltuchdecken begünstigt worden sein, die das Verdunsten des auf die Haut abgegebenen Wassers verhinderten.

Gelegentlich gab es Massenerkrankungen wie im Jahre 1872, als die Pferde in New York von einer Störung der Atemwege heimgesucht wurden, der 18.000 Tiere zum Opfer fielen. Der innerstädtische Verkehr war zeitweilig lahmgelegt. Als Ursache wird die erhöhte Staubbelastung angegeben, doch wahrscheinlicher ist eine Infektionskrankheit (Influenza?).

Im Sommer 1881 erkrankten in Berlin von 482 Postpferden 44% an Staupe (Influenza). Todesfälle waren nicht zu beklagen.

Dem Hautrotz, der 1874 unter Postpferden grassierte, fielen 107 Tiere, d. h. 25% zum Opfer.

Eine erhebliche Hypothek des städtischen Pferdeverkehrs waren die tierischen Exkremente. Jedes Pferd produziert im Mittel am Tag rd. 15 kg Frischkot und 10 l Harn. Bei einem 8-stündigen Arbeitstag bleibt davon ein Drittel auf der Straße.

Der Londoner Straßenschlamm enthielt 1886 60 % organische Masse neben 10 % Eisenabrieb (von Hufeisen und Eisenrädern) und 30 % Steinabrieb.

Die Exkremente ernährten im Sommer unzählige Fliegen und verpesteten die Luft. Schlimmer waren Reizstoffe, insbesondere Ammoniak, die von den Exkrementen ausgingen. Ein Londoner Arzt klagt Ende des 19. Jh., die Reizungen von Nase, Hals und Augen seien dadurch entsetzlich. Auch die Pferde waren natürlich diesen Umweltstressoren ausgesetzt.

Im Straßenstaub kamen auch Krankheits Erreger vor, u.a. Tetanussporen. In amerikanischen Städten sollen sie im erheblichen Ausmaß zur Säuglingssterblichkeit beigetragen haben.

Die kommunalen Behörden bemühten sich, die Exkremente zu beseitigen, doch das gelang allenfalls auf den Hauptverkehrsadern.

Selbst bei den heute wenigen Pferden im städtischen Verkehr bleiben ihre Exkremente ein ständiges Ärgernis. 1975 sollten in Carlston (South Carolina) Windeln eingeführt werden, das Vorhaben scheiterte aber am Widerstand der Pferdebesitzer.

Die Wiener Fiaker müssen sich an eine Kotierungs Einrichtung („Stinksackerln“) gewöhnen, mit der Kotund Harn aufgefangen werden sollen.

Die Probleme der Massentierhaltung mit Kontamination von Boden, Wasser und Luft durch tierische Exkremente, die uns heute auf dem Lande beschäftigen, haben die städtische Bevölkerung bereits im 19. Jahrhundert erlebt.

Doch der Pferdeverkehr bot noch andere Kehrseiten. Der ununterbrochene Klang ungezählter eisenbeschlagener Hufe auf dem Steinpflaster und das Knirschen der eisenbereiften Räder prägte damals die „Großstadtmelodie“.

Für viele Anlieger war das ein Stress, wie es Heinrich Heine in Paris in "Nachwort zu 'Romanzero'" empfand. In London versuchte man durch Strohaufschüttungen den Lärm vor Häusern mit Kranken zu dämpfen.

Im Jahre 1867 wurden 4-spännige Wagen aus der Innenstadt von London verbannt. Staus waren an der Tagesordnung. Häufig behinderten auch zusammengebrochene Fahrzeuge oder tote Pferde den Verkehr.

1866 mussten vom New Yorker Broadway täglich zwanzig Pferdekadaver beseitigt werden. In den 1870er Jahren waren es in Chicago täglich vier, in den 1880er Jahren elf Kadaver, die geräumt werden mussten.

Ein ernstes Problem im Verkehr mit Pferden war das Unfallrisiko. Abgesehen von technischen Mängeln waren es schnelles Fahren, Unaufmerksamkeit und die bei Pferden angeborene Fluchtneigung, die im Verkehrsgetümmel einer Stadt zu panischen und unkontrollierbaren Reaktionen führen konnte.

In Paris hatte man schon 1487 die Geschwindigkeit der Fahrzeuge limitiert. Später galt Trab als tolerierbare Bewegungsart.

Im Jahre 1868 starben in London pro Woche sieben Menschen durch Pferdekutschen, zudem gab es viele Verletzte. In New York waren 1867 pro Woche vier tote und vierzig verletzte Fußgänger zu beklagen.

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Viele dieser sicher nicht umfassenden Informationen über die jüngere Geschichte des Nutztieres Kutschpferd von Helmut Meyer machen betroffen und traurig. Und sie reihen sich in eine Kette von besinnungslosen Massenprozessen der Menschheit, die immer wieder nach dem Muster ablaufen, dass alles was möglich ist, auch gemacht werden muss, weil es ja so wahnsinnig fortschrittlich ist (ICH war auch dabei!) und, oder? so unvorstellbar viel Kohle bringt.



Tierschützer gegen Kutscher:
Kulturkampf in New York
von afpdeutsch


Hier geht es zur Internetseite der Organisation der New Yorker Pferdekutschen.


Der weltweit agierende Konzern "Peta" tötet seit Jahren Katzen und Hunde*), weil er es für richtig hält, das Geld für ihren Lebensunterhalt für die Finanzierung spektakuläre Aktionen zu verwenden - Zum Beispiel für ein Riesenplakat gegen die Pferdekutschen in New York.

*) Zur behördlichen Bestätigung durch das Amt für Landwirtschaft und Verbraucher Dienste in Virginia (USA) geht es HIER und HIER.

Siehe auch den etwas älteren Artikel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Hier geht es zum aktuellsten Artikel auf der Titelseite der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.


Sauber, Sicher und Öde

New Yorks neuer Bürgermeister de Blasio möchte Pferdekutschen durch Elektroautos ersetzen.

Besucher der Metropole suchen Romantik, nicht ihren Nachbau.

Gewinnt dennoch die Allianz für ein Fades Dasein?

von Roger Cohen


Das Echte ist unkalkulierbar. Das ist eine lästige Tatsache für eine Welt, die "geil" ist auf Effizienz = immer mehr herauskriegen als hineinstecken und Image = gerade eben angesagte äußere Erscheinung. Eine köstliche Frucht könnte Flecken haben. Also produzieren wir doch lieber eine perfekt glänzende Frucht ohne Geschmack.

Daran dachte ich neulich in Deutschland, als ich einen Blauburgunder trank, den die Deutschen Pinot Noir nennen. Deutschland produziert nicht gerade große Rotweine; Und der, den ich trank war kein großer Rotwein. Aber er war authentisch. Er war nicht hergestellt worden, um einen ganz bestimmten Geschmack zu bedienen. Er war nicht zusammengezimmert worden. Es war der unverfälschte Ausdruck einer Traube und ihrer Region. Und als genau solcher war er jederzeit dem vorzuziehen, was als großmäulig fruchtiger, gerbstoff-, säurefreier, tot gestorbener, alkoholschwerer Rotwein vom Massenmarkt verlangt wird und was die die Weinbauern der Neuen Welt auftragstreu abliefern.

Eine der etwas bemerkenswerteren Tatsachen des Lebens ist es, dass Menschen literweise schlechte Weine trinken, wo sie zum selben Preis gute Weine trinken könnten. Sie möchten es lieber sicher und unkompliziert. Sie ziehen das glatt Vermarktete dem Unverfälschten vor.

Mein Eindruck ist, eine der am schnellsten wachsenden Organisationen der Welt ist die Globale Allianz für ein Fades Dasein (GAFD)(Global Alliance for Boring Existence (GABE)). Ihr Ziel ist es, authentische Erfahrungen so zu filtern, zu dirigieren, einzuebnen, auf tiefstes Niveau herunter zu schrauben, dass sie zu Äpp-tauglichen Markenwaren mit lizensierten Markenzeichen werden, die leichter zu verstehen und selbstverständlich absolut sicher und ungefährlich für Mensch und Tier sind.

Wie ich kürzlich herausgefunden habe, ist Bill de Blasio, der Bürgermeister von New York, ein führendes Mitglied dieser GAFD. Ich weiß nicht, welche Sorte Wein er trinkt, oder wie hoch seine Toleranz gegenüber hässlichen Früchten ist, aber seine Ideen zur Frage, was auf New Yorks Straßen zu geschehen habe, sind trostlos.

Falls es Ihnen entgangen sein sollte, der Neuling im Amt des Bürgermeisters plant die von Pferden gezogenen Kutschen, die Generationen von Touristen in und um den Central Park erfreut haben, zu verbieten und sie durch elektrisch angetriebene Nachbauten historischer Autos zu ersetzen, die seiner Meinung nach ähnlichen Spaß vermitteln würden, ohne aber Pferden grausame Schmerzen zuzufügen.

Ganz recht, sie haben richtig gelesen.

Um fair zu sein, de Blasio spiegelt seine Zeit. Wo (US-)Amerikaner einst sagten: „Take it easy -Mach Dir nichts draus“, sagen sie nun: „Bleib‘ immer auf der sicheren Seite,“ das Mantra, der Glaubenssatz einer vollständig vermessenen Welt, die nur scharf darauf ist, jedes Risiko absolut auszuschalten. Die technologisch angestiftete Versuchung, alles zu kontrollieren, ist, wie es scheint, unkontrollierbar.

De Blasio glaubt, die historische-Auto-Idee begründe fantastische Job Aussichten für die mehr als 300 Kutscher, Stallarbeiter und andere, die arbeitslos sein werden, wenn die Pferdekutschen verboten würden. „Eine tolle Beschäftigungs- Möglichkeit für eben diese Leute,“ sagt er nach einem Bericht im The Wall Street Journal.

Oh, bitte, Herr Bürgermeister. Das ist ja so, als würde man sagen, die Arbeit als Darsteller in einem Disney-Freizeitpark ist eine wundervolle Alternative für Jockeys.

Pferde duften. Sie äpfeln. Sie lahmen. Sie sind unberechenbar. Elektrische Auto-Nachbauten sind geruchlos. Sie summen. Sie bewegen sich auf geraden Linien. Sie verhalten sich vorhersehbar. Menschen, die sich gerne mit Pferden zusammen aufhalten, sind nach meiner Erfahrung, bärbeißig, ungeschminkt humorvoll, mit einer Neigung zum Einzelgänger. Sie sind kaum austauschbar mit Leuten, die sich dafür entscheiden, ihre Autos nachts an Batterien zu hängen.

Eine Tier-Rechts-Gruppe, New Yorker für Saubere, Lebenswerte und Sichere Straßen, oder NY-CLASS (New Yorkers for Clean, Livable and Safe Streets) unterstützte de Blasio in seiner Wahlkampagne im letzten Jahr. Ihre Meinung ist, wie The Journal einen Sprecher zitiert, dass es nicht zu akzeptieren sei, Pferde „einem ungesunden Leben Nase-zu-Auspuff auszusetzen, wenn es eine derart tolle Alternative ohne Tierquälerei, in Gestalt historischer Nachbauten pferdeloser elektrischer Kutschen gibt.“

Diese Dummheit kommt der Grausamkeit gleich, mit der auf diese Weise die Gefühle der New York Besucher behandelt werden, die Romantik suchen, nicht ihren Nachbau.

Die Technik stellt immer wieder vor Herausforderungen. Eine ist die angemessene Balance zwischen Privatheit und Sicherheit. Eine andere, ebenso wichtige, ist es, die rechte Balance zwischen Originalität und Effizienz zu finden. Gerade jetzt verliert die Originalität gegen die GAFD-Armee mit ihrem unablässigen Drang zu Vorhersagbarkeit und Einheitsbrei.


INTELLIGENCE

Clean, Safe and Boring

ROGER COHEN
The New York Times International Weekly
Süddeutsche Zeitung,
Friday, March 14, 2014

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Tierschutz oder Tourismus?

von LAURENCE THIO


New York. Wie aus der Zeit gefallen wirken die Pferdekutschen schon jetzt in New York, wo die Kutscher neben Wolkenkratzern aus Glas und Stahl jeden Tag am Südeingang des Central Parks auf Kundschaft warten. Für viele Touristen gehört eine Kutschfahrt durch den Park zum New York-Besuch wie das Empire State Building oder die Freiheitsstatue.

Für den neuen Bürgermeister der Millionenmetropole, Bill de Blasio, ist das aber Tierquälerei. Als eine seiner ersten Amtshandlungen will er die Kutschen abschaffen. Damit hat er einen heftigen Streit ausgelöst.

Kutscher Colm McKeever: "Das ist eines der berühmtesten Dinge, die man in New York machen kann. Venedig hat die Gondeln, New York hat die Kutschfahrt durch den Central Park." Seit einem Vierteljahrhundert fährt der 44-Jährige Touristen durch den Park und kann nicht verstehen, warum das bald vorbei sein soll. "Die Pferde arbeiten unter fabelhaften Bedingungen, und in die Ställe kann man auch jederzeit hineinschauen."

Gemeinsam mit Kollegen hat McKeever eine Protestaktion gestartet: "Rettet die Pferdekutschen von New York City". Seine und die Zukunft seiner Familie hänge von diesem Job ab, "Wir werden bis zum Äußersten für unsere Lebensgrundlage kämpfen."

Aber der 52-jährige Bürgermeister de Blasio, seit Anfang des Jahres im Amt, will die Pferdekutschen aus dem New Yorker Stadtbild verschwinden lassen. "Das ist keine artgerechte Tierhaltung und muss ein Ende haben." Die Kutscher sollen auf  elektrisch betriebene Oldtimer-Autos umsatteln.

Elizabeth Forel, Sprecherin der "Initiative für ein Verbot der Pferdekutschen": "Diese rund 200 Pferde sind Sklaven. Sie müssen neun Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche im dichten Verkehr arbeiten". Laut Gesetz dürfen die Tiere das und sie müssen fünf Wochen Urlaub im Jahr bekommen.

„Das steht nur auf dem Papier. Die Umsetzung wird aber nicht kontrolliert", kritisiert Forel. "Außer den Touren haben die Pferde keinen Auslauf, und sie sind meist allein und nicht unter Artgenossen." Neben diesen Haltungsbedingungen kritisieren die Tierschützer auch, dass die Pferde eine Gefahr im Verkehr seien, weil sie sich leicht erschreckten. Immer wieder gab es in Manhattan in der Vergangenheit Verkehrsunfälle, an denen (auch!) Pferde beteiligt waren.

!!! In den letzten dreißig Jahren sind drei Pferde von durchschnittlich um die dreihundert bei Straßenunfällen in New York zu Tode gekommen !!!

Klar, das sind drei Pferde zu viel. Wollen wir denn wirklich wissen, wieviele Menschen in der selben Zeit in der selben Gegend bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen sind?

WIE besinnungslos sachlich und unwiderstehlich redlich wird hier argumentiert??? (Karlheinz)

Die Kutschen im Central Park haben seit mehr als 150 Jahren Tradition und sind zu festen Sehenswürdigkeiten der Stadt geworden. Die Mehrheit der New Yorker steht Meinungsumfragen zufolge dann auch auf der Seite der Kutscher.

Die "New York Times" spricht sich ebenfalls gegen de Blasios Verbotspläne aus. Sie würden von findigen Immobilien-Investoren vorangetrieben, die auf den wertvollen Grundstücken der Ställe im neuen Trend-Viertel Hell's Kitchen in Manhattan Luxuswohntürme bauen wollten.

Die ganze Diskussion habe zumindest ein Gutes, sagt Kutscher McKeever. "Seitdem es den Streit um das Verbot gibt, habe ich mehr Kunden. Sie kommen, um noch schnell eine Tour zu machen, ehe es verboten wird." Kurz darauf entscheidet sich ein Paar, eine 20-minütige Tour für 50 Dollar (etwa 37 Euro) bei ihm zu buchen. McKeever zieht die Zügel wieder an und fährt los.


Tierschutz oder Tourismus.
New York streitet über Kutschenverbot

von LAURENCE THIO
Generalanzeiger Bonn

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Tierschutz oder Immobilienspekulation?

von STEFANIE BALL


Der neue Bürgermeister von New York City, Bill de Blasio (Demokraten), will die 150jährige Tradition der Kutschpferde im Central Park beenden.

Matthew Bershadker, Präsident der Amerikanischen Tierschutz-Gesellschaft ASPCA, einer der Tierschützer, die den Wahlkampf von de Blasio unterstützten, meint:
"Im 21. Jahrhundert Pferde zu benutzen, um schwere Ladungen von Touristen durch die verstopften Straßen von New York zu ziehen, ist widernatürlich, unnötig und unbestreitbar eine Belastung für die Tiere".

Das stimmt aber einiges nicht ganz. „Auf den Straßen“ befinden sich die Pferde allenfalls am Morgen, wenn sie von ihren Ställen in der Nähe des Hudson etwa anderthalb Kilometer  zum Central Park gebracht werden. Den Rest des Tages verbringen sie mit Rundendrehen auf asphaltierten Wegen im südlichen Teil des Parks, während der Kutscher auf dem Bock die Geschichte des Parks zum Besten gibt.

Der Sprecher der New Yorker Pferde- und Kutscher-Vereinigung, Stephen Malone, der seit 26 Jahren im Geschäft ist: "Die ikonischen Kutschen tragen großen Anteil daran, dass New York so speziell ist." Er selbst habe zwei Pferde, beides Zugpferde. Die Tiere arbeiteten einen Tag und hätten dann einen Tag Pause. "Alle unsere Pferde werden gut behandelt, die Ställe sind offen für Inspektionen, 365 Tage im Jahr." So werden die Tiere denn auch mehrmals im Jahr von einem Amtstierarzt untersucht, und jedes Pferd macht fünf Wochen Ferien auf der Weide außerhalb der Stadt.

Nun hat sich auch Hollywood-Star Liam Neeson, bekannt aus "Schindlers Liste", für die Kutschen eingesetzt. Dem neuen Bürgermeister wirft er vor: "In Ihrer Wahlkampagne haben Sie versprochen, für den einfachen Bürger zu kämpfen. Jetzt entlassen Sie mit einem Handstreich 300 Familien in die Arbeitslosigkeit."

Zurzeit gibt es 68 Konzessionen und etwa 300 Männer und Frauen, die für die Lizenzinhaber arbeiten. Der Plan ist, dass statt der Kutschen künftig Elektroautos ihre Runden im Central Park drehen. Wer eine Kutschen-Zulassung besitzt, soll die in eine Auto-Lizenz eintauschen können - gegen eine Leasinggebühr von 20.000 Dollar im Jahr.

Der wohl schwerwiegendste Vorwurf gegen den Bann des Bürgermeisters ist der, dass es gar nicht um das Wohl der Tiere geht. Vielmehr geht es wohl um den Geldbeutel einiger Immobilienspekulanten, die sich die Grundstücke, auf denen sich die Ställe im Trendviertel Hell's Kitchen befinden, gerne unter den Nagel reißen würden. Pikanterweise hat eine der Tierschutzgruppen de Blasios Konkurrentin Christine Quinn im Kampf ums Bürgermeisteramt mit einer millionenteuren Kampagne aus dem Rennen geworfen. Und der Gründer dieser Gruppe ist der ehemalige Chef einer Immobilienfirma in New Jersey.


Central Park ohne Kutschen?

STEFANIE BALL
Mannheimer Morgen
25. Januar 2014

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