Hengstparade
am Landgestüt Dillenburg

25. September 2011

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Ein wunderschöner Altweibersommer-Sonntag belohnt unseren Entschluss, erstmals die Hengstparade, eine traditionelle Veranstaltung des Landgestüts zu besuchen.

Zuschauerbänke und Ehrentribüne um den Paradeplatz in Dillenburg sind schon früh fast lückenlos besetzt. Dieses „Volle Haus“ bestätigt einmal mehr, welch hohe Faszination von Pferden ausgeht.

Menschen mindestens zweierlei Geschlechts und jeden Alters lassen sich von der Ausstrahlung dieser zauberhaften Wesen in den Bann schlagen.

Und es sind wahrlich nicht nur „Pferdemenschen“, die tagtäglich selber mit diesen beeindruckenden Geschöpfen zu tun haben, weil sie ihnen schon längst mit Haut und Haaren „verfallen“ sind. Es sind "normale" Dillenburger und Menschen aus dem Umland, Hessen, die „ihre“ Hengstparade sehen wollen.

Es sind zahlreiche Busladungen voll, und, wie die Nummernschilder verraten, viele Gäste von weit her. Nicht zu vergessen die vielen Besucher, für die das herrliche „Kaiserwetter“ den spontanen Ausschlag gegeben hat.

Übrigens, eine Bezeichnung von „Blauer Himmel und Sonnenschein“, die wir dem letzten Deutschen Kaiser, Wilhelm dem II. verdanken, der sich nur bei solchen Wetterausprägungen auf Freiluftveranstaltungen sehen ließ, weil die damals noch in den Kinderschuhen steckende Technik der Photographie nur mit viel Licht kaiserlich befriedigende Ergebnisse von Ablichtungen des Astralleibes von Ihro Gnaden ermöglichte.

Produkte dieser Technik von dieser Veranstaltung, die Anno 2011 in der breiten Masse nicht mehr chemisch sondern elektronisch erzeugt werden, sind hier zu sehen: Zu den Bildern. Heute ist viel Licht zwar keine Voraussetzung mehr für überhaupt ein passables Foto. Brillianz ohne Sonnenlicht ist aber auch heute schwer aufs Bild zu bringen.

Die Meinung Kaiser Wilhelm II. : „Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich glaube an das Pferd,“ muss also "nicht um jeden Preis" als Ausdruck etwa einer generell technikfeindlichen Einstellung Ihrer Majestät herhalten, vielmehr einer hundert Jahre später mehr denn je gültigen Einsicht, dass die Reisegeschwindigkeit eines Pferde Kutsche menschengerechter ist als die einer otto-motorisierten Benzin Kutsche.

Daran ändert grundsätzlich auch kein Verweis auf einen noch so zwingenden strukturellen Wandel, nicht mal auf das alles „entschuldigende“ Pass Partout Schlagwort „Globalisierung“.

Nicht zuletzt, eine Veranstaltung wie diese, eines der seltenen Erlebnismöglichkeiten („Iieventz“) unserer Zeit, die mindestens drei Generationen, ohne Motivations-Verrenkungen, mit Begeisterung zusammenbringt, ist nur allzu beredte Bestätigung dafür.

Aber im Ernst, auch ohne kaiserliche Fürsprache, was wir an diesem Sonntag von 13 bis17.30 Uhr, mit einer halbstündigen Pause, geboten bekommen, ist die 20 Euro (16 im Vorverkauf) jeden Cent wert.

Eine kompetente, informative Ansprache durch den Leiter des Gestüts persönlich wird durch ein Heer helfender Hände nahezu pannenlos, Schlag auf Schlag, mit einer Folge von Schaubildern, Programmpunkten beliefert, die auch nicht den Hauch von Langeweile aufkommen lassen.

Und diese Programmfolge lässt erahnen, welcher Umbruch hier im Gange ist.

Nach Ansätzen, sich der Institution und des Kostenfaktors „Landgestüt“ in Zeiten knapper Kassen zu entledigen, scheinen Strategien zu greifen, durch Zusammenarbeit aller bundesweit 10 Haupt- und Landgestüte eine auf lange Sicht stabile Basis zu sichern und den Verantwortlichen in Verwaltung und Politik, aber viel wichtiger, den Menschen des jeweiligen Landes nicht nur die schnöde Daseinsberechtigung, vielmehr die Kultur erhaltende Notwendigkeit ihrer Landgestüte sinnfällig nahezubringen.

Zu wünschen und zu hoffen wäre allerdings, dass alle Beschwörungen der großen Verdienste der vielen privaten Züchter im Lande für die Erhaltung und Pflege seltener Rassen, auch in der Praxis der Zusammenarbeit der Gestüte, z.B. von Dillenburg und Verden an der Aller, so unmissverständlich zum Tragen kämen, dass vernehmbare Befürchtungen:

„Nun wird bald nur noch der ‚Hannoveraner‘ in Dillenburg übrig bleiben und der ‚Hesse‘ wird ganz verschwunden sein?!“ durch überzeugende Maßnahmen zum Erhalt lokaler Rassen, ausdrücklich auch und gerade gegen das "betriebswirtschaftliche Argument" - der Wind aus den Segeln genommen wird.

Vielfalt zu erhalten ist ein Willensakt und der schönste Ausdruck der Freiheit, etwas zu unterstützen, das zum Wertvollsten gehört, das ein Mensch in seinem Leben erfahren kann. Sicherlich aber kein Bestandteil des Credos eines profitgeilen Investmentbankers.

Eine weitere Neuerung, die nicht wenigen orthodoxen Anhängern des „alten“ Landgestüts Pickel verursachen mag, ist die Öffnung der Lehrgangsangebote der Hessischen Landes- Reit- und Fahrschule, die ihr Leiter, Dieter Lauterbach, vorstellt.

Die Integration aller Formen der Begeisterung für das Pferd, vom wissenschaftlichen Ansatz des Erhalts der Rassenvielfalt, den verschiedenen (leistungs-)sportlichen Aktivitäten von den vielen Disziplinen des Reitens bis zum Fahren, bis zur bunten Truppe der Freizeit-Pferdemenschen, die ihre Herzen an Isländer, Lewitzer , Pintos …  und die vielen „Dicken Pferde“, Kaltblüter verloren haben, ob ohne sportliche Orientierung, „einfach nur so“, oder in Verbindung mit dem Gedanken des Erhalts der Erinnerung an die Geschichte der Kultur des Pferdes als Begleiter des Menschen.

Schul-Arbeitsgemeinschaften, Trainer-, Fahrabzeichen-Lehrgänge, Dressur- und Longier- Seminare, Voltigier-Ausbildung und die kleine, dafür umso begeisternde Delegation von Kaltblütern der Interessen Gemeinschaft Zugpferde (IGZ Hessen) unter Verantwortung von Stefan Schwarz für die IGZ und Dieter Lauterbach für das Landgestüt, machten mit ihren historischen Beispielen von Pferden als Nutztiere viel Spaß und mindestens so viel Vorfreude auf das "Kaltblutchampionat" der IGZ am nächsten Wochenende, 1. und 2. 10. 2011, an gleicher Stelle.

Wir werden da sein!

Auch diese demonstrative Überwindung von Berührungsängsten ist ein gutes Zeichen für die Pferde in diesem Land,  ein sehr ermutigendes Signal der Zusammenfassung und Bündelung möglichst vieler Facetten der Pferdebegeisterung.

Wenn wir gefragt würden, was wir an der Präsentation zu bemäkeln hätten, dann vielleicht auch nur an einigen Stellen, an einem Stil, der wohl eine der medialen Unarten dieser Zeit widerspiegelt: Reizüberflutung.

Am Beispiel des Zehnerzuges in Dillenburg wird dies im positiven Sinne deutlich: Hier konnte der Sprecher auf die Kunst des Kutschers eingehen, auf die insgesamt 30 Kilo Leinen, die er für jedes der fünf Pferdepaare zu beherrschen hat, und der Zuschauer konnte seine Aufmerksamkeit auf ein, wenn auch sehr komplexes Objekt konzentrieren und es mit Augen und Ohren „begreifen“.

Bei den „Titanen der Rennbahn“ in Brück, in diesem Jahr, bewegten sich ZEHN Zehnerzüge gleichzeitig vor den Zuschauern – toll, Guinnessbuch verdächtig, ich war dabei! – aber sonst? Kein Grfühl, kein Zauber, keine Sensation ( = Gefühl, Sinneswahrnehmung!) – so viele verschiedene Reize gleichzeitig kann auch der Multitasking-Fähigste nicht bewusst wahrnehmen. Wie so oft: Weniger ist mehr, Kleiner ist schöner, und beides zusammen hat einen Zauber!

Dem entsprechend hätten wir uns bei der Präsentation der großen Vererber des Gestüts gewünscht, dass wir Gelegenheit bekommen hätten, uns auf den Vater, sein Äußeres und einen Teil seines vorgeführten Verhaltens, auf eine Mutter, mit einer Auswahl ihrer Merkmale und auf die Temperamentsausbrüche oder auch „gesitteten“ Bewegungsmuster eines ihrer Kinder zu konzentrieren, Pferde-„Familie“ nach Pferde-„Familie“. Vielleicht in einer Art Rundlauf um den Platz.

Wenn aber alle gleichzeitig durcheinander laufen, ist das schlicht nicht möglich.

Zur Veranstaltungstechnik: Dadurch dass die Basslautsprecher der Beschallungsanlage in der Mitte der Stirnseite des Paradeplatzes aufgestellt waren, linker und rechter Kanal jeweils nahe den Zuschauerrängen an beiden Seiten, war der Musik“genuss“ durch unterschiedliche Laufwege des Schalls zu mindestens an dieser Stelle unangenehm zerpflückt (Mitte-Höhen kommen zuerst an, dann die dazu gehörenden Bässe).

Mögliche Tips: Entweder die Frequenzweichen ausschalten; Oder nur Full-range-Boxen einsetzen und in beiden Fällen auf „mono“ fahren.

In der Veranstaltungspause zeigte sich, wie die vielen anwesenden Kinder zur motorischen Selbsthilfe griffen, den Platz eroberten und die Böschung zu den Zuschauerrängen mit dem Handlauf als Rampe und Prallbock  für alle möglichen Laufspiele nutzten.

Wie wäre es denn, mit den Pfunden des eigenen Hauses, mit "Herz und Phantasie" zu wuchern, also bitte keine Hüpfburg(!), und die Begeisterungs Fähigkeit der Kleinsten bedienen – vielleicht in einer Art Streichel Zoo in einem Stall mit all den Tieren, die an diesem Tag nicht eingesetzt werden. Juristische Belange müssen natürlich – wie überall – wohl durchdacht sein!

Honi soit qui mal y pense: Die prägende Wirkung, die  der Zauber der Pferde in der grandiosen Stallarchitektur des Gestüts besonders auf junge Menschen haben kann, darf/sollte man doch, ohne „rot zu werden“, nutzen, oder? Wir meinen, die tollen Tiere haben jeden zusätzlichen Fan verdient!

Summa summarum: Wir haben eine rund herum gelungene Veranstaltung gesehen. Der begonnene Trend unterschiedlichste Facetten der Pferdebegeisterung mit möglichst wenig Berührungsängsten zu bündeln, um so eine möglichst starke Lobby für diese tollen Begleiter des Lebens zu schaffen, sollte unbedingt fortgesetzt werden.

Und …

Wir freuen uns auf das kommende Wochenende, den 1. und 2. Oktober 2011, wieder in Dillenburg, dann beim "Kaltblutchampionat" der IGZ, bei den „Dicken“, an die wir nun einmal unsere Herzen noch einen winzigen Tick mehr verloren haben.

Elke und Karlheinz Damerow

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