Breitscheid,
Sonntag, 26. Januar 2014,
12.15 Uhr

Graveur ist tot

Der Gentleman unter den Lewitzer-Hengsten ist nach einunddreißig Lebensjahren in seinen Garten Eden, an den 'Rand der himmlischen Steppen' gegangen.


20. Juli 2012


1988, fünf Jahre nach seiner volkseigenen Geburt in Mecklenburg-Vorpommern, bescheinigten ihm Kenner seiner Unterart, der Lewitzer Schecken, hervorragende „Qualitäten der Vererbung adeliger Eleganz toller Gänge“.

Schon ein Jahr später wurde er als erster Lewitzer in den kapitalistischen alten Bundesländern mit dem Titel „Elite-Hengst“ beehrt. Damit war seine Lebensaufgabe endgültig besiegelt: Pausenlos schön und gesund bleiben, ausnahmslos imponieren und ihm zugeführte, fortpflanzungsbereite Artgenossinnen schwängern. Der Traum weitestgehend testosterongesteuerter Lebewesen. Der Alptraum einer leicht „einfältigen“ Erlebniswelt.

Nachdem wir Graveur in seinen fast drei letzten Jahren am Hof von Jutta und Werner Saalbach erleben durften, können wir ihm ohne geringsten Schmeichelverdacht bescheinigen, dass er diesem existenziellen Handicap eine ebenso liebenswerte wie stolze Grandezza abgewonnen hat. Die tägliche Aufwartung „Seiner Majestät“ durch unsere beiden Gelderländer auf dem Weg zur Weide, quittierte Graveur im Freiluft-Speisezimmer seines Bungalows „Harem Ostseite“ - Wand an Wand mit den Stuten im Offenstall - bis zuletzt mit der Präsentation einer gravitätischen „spanischen“ Vorhand und professionellem Hengst-Quietschen.

Auch mit seinen einunddreißig Sonnen-Umrundungen ließ Graveur – obgleich deutlich gealtert - zuletzt nichts zwingend vermuten, dass seine Lebensspanne in diesen Tagen enden sollte. Und dann ging doch alles so majestätisch schnell. Schwierigkeiten beim Aufstehen in der Box, beim Wasserlassen. Die peinigende Wahrnehmung der schweißtriefenden Tortur, offensichtlich unerträglicher Schmerzen, ersparen ihm ärztliche Gaben selbst höchst wirksamer Mittel schließlich nur noch für immer kürzere Zeiträume. ... Seine Menschen kommen ihrer sehr, sehr schmerzenden Pflicht nach, nicht mehr angemessen kurierbare Qualen ihres schutzbefohlenen Lieblings verantwortungsvoll zu beenden

Ein außergewöhnliches Pferdeleben ist würdig zu Ende gegangen. Das Wesen einer markanten, stolzen, in sich ruhenden Persönlichkeit dieses verdienstvollen Hengstes hat seit gestern seinen Ehrenplatz im Garten Eden. Ein geschütztes Stück Pferde-Traumland mit besonders leckerem Grün und dem beruhigenden Blick zum fernen welligen Horizont, über sein Erdbachtal(!), am Rand der himmlischen Steppen.

Selbst ein (bisher nur sogenannter) Winter scheint sich an seine Pflichten erinnern und damit der Majestät des kleinen Großen Lewitzer Hengstes Ehre erweisen zu wollen. Am Morgen nach seinem Todestag finden wir seine irdische Hülle sanft und stillschweigend bedeckt mit dem ersten nennenswerten Schnee des Jahres. Als wäre es der königliche Hermelinmantel, wie er dem noblen Stand eines außergewöhnlichen, lieben Pferdemannes gebührt. Eines wahren Gentleman seiner Profession, der keine gewünschte Mutter-Stute mit aufdringlichem Getöse und Brimborium „vergewaltigte“. Der stets geduldig auf die Zeichen der Bereitschaft wartete, sich auf ihn einlassen zu wollen.

Graveur, wir vermissen Dich. Wir werden uns wiedersehen, auf der anderen Seite des gemeinsamen Weges. Bis dahin hast Du eine große, besonders ehrenvolle, ewig grüne, helle Wiese in unseren Herzen.

Elke und Karlheinz

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