Der Schlachter wartet auf hochwertige spanische Pferde

Alberto Martín, Pferdezüchter in dritter Generation, verkaufte in zwei Jahren 50 seiner 70 Stuten an den Schlachthof.

Wenn der Immobilienmarkt zusammenbricht, schließt man die Fensterläden. Ein Pferd muss immer weiter gefüttert werden.

von RAPHAEL MINDER

CHAPINERÍA, Spanien - Wie sein Vater und sein Großvater vor ihm züchtet Alberto Martín Pferde. Doch keine Erfahrung konnte ihn auf Zeiten wie diese vorbereiten. Martín war in den letzten zwei Jahren gezwungen, 50 seiner 70 geliebten Stuten für etwa je 400 Dollar zu verkaufen. Mehr zahlte der Schlachthof nicht.

Einige der Pferde hatte er vor Beginn der Finanzkrise 2008 für bis zu 24.000 Dollar gekauft. Martín: „Es ist traurig, aber es macht heute mehr Sinn, Pferde für nahezu kein Geld abzugeben, als weiterhin für ihren Unterhalt zu zahlen, wissend, dass wohl niemand mehr Pferde kaufen möchte.“

„Die Zucht hat immer ihre Risiken, aber ich glaube, niemand in meiner Familie stand jemals vor einer Krise wie dieser.“

Während ein Pferdefleischskandal kürzlich europäische Konsumenten über ihre Nahrungsmittel und deren Auszeichnung nachdenken ließ, entwickelte sich in diesem pferdeliebenden Land ein ganz und gar anderes Drama, das zunehmende Schlachten von Pferden, die Menschen entweder nicht haben wollen oder sich nicht leisten können.

Viele Pferde wurden in den Jahren der spanischen Hochkonjunktur gekauft, als ihr Besitz von einigen Käufern wohl als ein Zugang zu sozialem Status gesehen wurde, ohne allerdings in jedem Fall die langfristigen Unterhaltkosten zu bedenken. Nun da die wirtschaftliche Blase geplatzt ist, haben viele dieser Käufer ihre Pferde wieder abgestoßen, oft zur Schlachtung.

Einige Pferde werden jedoch ganz simpel alleingelassen, illegal getötet, und wie Tierrechtsaktivisten sagen, ihre Kadaver in verlassenen Gegenden weggeworfen, manchmal sogar enthauptet, um den Microchip zur Identifikation zu entfernen und so einer Strafe zu entgehen. Neulich öffnete die Polizei einen Pferdefriedhof in den Hügeln nahe Algeciras mit den nicht identifizierbaren Resten von ca. 20 Pferden.

Miguel Alonso, Pferdetierarzt: „Viele, die plötzlich durch Immobilienbesitz reich wurden, waren ganz versessen darauf, ein schönes Pferd zu kaufen. Anders als ein Haus, bei dem Du wenigstens die Fensterläden schießen kannst, wenn der Markt zusammenbricht, muss ein Pferd immer weiter gefüttert werden.“

Der unerwartete Effekt der Krise ist, dass Spanien durch sie zu einem immer größer werdenden Lieferanten von Pferdefleisch für den Rest des Kontinents geworden ist. Laut Spaniens Landwirtschaftsministerium hat sich die Zahl in spanischen Schlachthöfen getöteter Pferde seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 von 30.563 auf 59.379 im letzten Jahr verdoppelt.

Wie Beamte mitteilen, betrifft die Schlachtkonjunktur zunehmend Pferde im besten Alter. „Es hat sich eine Verschiebung vom Schlachten alter zu jungen Pferden ergeben, so dass die Qualität spanischen Pferdefleisches besser ist denn je“, sagt Luis Vázquez, Leiter der Abteilung Tierinspektion in Sevilla, der Hauptstadt Andalusiens.

Tierrechtsaktivisten warnen, dass die Zahlen ausgesetzter Pferde rasant steigen werden. „In diesem Augenblick ist das Leben hunderter von Pferden in Spanien bedroht“, sagt Virginia Solera, die für Cyd Santa Maria arbeitet, ein Verein aus Málaga, der sich um verlassene Pferde kümmert.

Herr Martin würde seine Pferde viel lieber an Menschen verkaufen, die daran interessiert sind, sie zu halten und aufzuziehen. Er hat den Preis für seine Pferde im vergangenen Jahr um durchschnittlich 60 Prozent gesenkt. Zum Beispiel verlangt er nun 14.000 Dollar für Gallo, einen sechsjährigen schwarzen Hengst, gegenüber ursprünglich mehr als 30.000 Dollar.

„Es war immer so einfach, Käufer zu finden, dass ich mir nie Gedanken über irgendeine Art Vermarktung machen musste“, sagt er. „Nun bin ich froh, wenn ich, sogar mit viel Werbung, ein Pferd pro Monat verkaufen kann.“

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übersetzt aus:
The Slaughterhouse Awaits Once-Priced Spanish Horses

by RAPHAEL MINDER
THE NEW YORK TIMES INTERNATIONAL WEEKLY
Süddeutsche Zeitung, FRIDAY; APRIL 19, 2013

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