Tierschutz verbietet das Kutschefahren?

Sind (solche) Tier"freunde" noch (vor sich selbst) zu retten?


Feichten an der Alz,
Landkreis Altötting, Oberbayern,
23. Januar 2013
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Am Mittwochnachmittag sitzt ein 80jähriger Mann auf dem Bock einer zweispännigen Kutsche, die sein 24jähriger Enkel auf/über(?) einer Kreisstraße führt. Um die Pferde zu einer langsameren Gangart zu bewegen, zieht er an einem „Strick(?)“, worauf dieser reißt. Das (nun führungslose?) Gespann kommt daraufhin von der Straße ab und fährt in einem angrenzenden Acker weiter. Der Enkel versucht zunächst erfolglos, das Gespann anzuhalten.

Während dessen erleidet der Mann auf der Kutsche einen Herzinfarkt und ein Bein wird zwischen Bock und Handbremse derart eingeklemmt, dass er sich eine stark blutende Wunde zuzieht.

Vom Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht, verstirbt er dort in Folge des Herzinfarktes.
(Passauer Neue Presse)

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Mitgefühl gilt vor allem dem Enkel(!) und allen Angehörigen des verstorbenen Kutschers.

Aus der Ferne und mit den spärlichen Informationen zum Hergang des Unfalls stellen sich folgende Fragen:

- Hatte der Mann auf dem Bock regelgerecht verschnallte Leinen in der Hand?

- Mit welchem Mittel führte der Enkel das Gespann vom Boden aus? - Mit einem Strick? - Wo/Wie war dieser befestigt? - Mit dem Außenzügel des linken Pferdes? ...

- Welche Beschaffenheit hatte der „Strick“?

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Nachdem die deutsche PETA-Filiale in Gerlingen/Stuttgart des weltweit agierenden Vereins aus Norfolk, Virginia, USA, das Bundes-Verkehrs-Ministerium schon vor einiger Zeit aufgefordert hat, ein bundesweites Verbot von Pferde-Kutschen als Beförderungs-Mittel im Straßen-Verkehr zu prüfen, verlangt sie nun nach diesem Unfall ein Verbot von Pferdekutsch-Fahrten im Landkreis Altötting.

Der Kampagnen-Leiter des Vereins, Diplom-Zoologe Peter Höffken, begründet seine Forderung an den Landrat:

„Es gibt für Kutschen keine Sicherheits-Gurte und Airbags. Kutsch-Pferden werden außerdem jedwede natürliche Lebensweise abgesprochen.

(Herr Höffken will wohl sagen: Kutschpferde werden absolut nicht artgerecht gehalten; Was aber eben diese Argumentation mit dem obigen Unfall zu tun hat, bleibt sein Geheimnis).

Die Meeresbiologin Dr. Tanja Breining, Berliner Anti-Kutschen-Kampagnen-Leiterin des Vereins:

„Kutsch-Pferde ziehen unter schlimmsten Wetterbedingungen ein schweres Gewicht, laufen auf hartem Beton-Boden und inhalieren Abgase und Rauch. Einige Pferde brechen zusammen oder erleiden Herzinfarkte, so stark werden sie täglich belastet, teilweise fahren sie im stärksten Straßenverkehr.

Hinter der Schein-Romantik einer Kutschfahrt verbirgt sich eine grausame, tierquälerische Industrie. Die einzig humane(!) Lösung ist daher ein dauerhaftes Verbot von Kutschfahrten.“

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Wer eine so radikale Forderung stellt, sollte sie, mit deutlich erkennbarer Fachkenntnis unterfüttert, begründen können.

Wer aber meint, mit sensationsheischendem Drama- und Verteufelungs-Vokabular agieren zu müssen, der bringt nicht nur sich selbst, sondern alle ernst zu nehmenden Vertreter von Tier-Interessen um die notwendige Vertrauens-Basis für jeden sachlichen Diskurs.

Vor dem Hintergrund von täglich durchschnittlich
- elf toten Menschen auf deutschen Straßen,
- mehr als Sechshundert (allein den Versicherungen gemeldeten) Haar-Wildunfällen,
- zig Tausend durch otto-motorisierte Fahrzeuge getöteten Vögeln,
zeugt eine derartig überzogen begründete Forderung eines Kutschenfahrverbots angesichts von durchschnittlich zwanzig Kutschen-Unfällen pro Jahr in Deutschland bestenfalls von "tierschützerischem Tätigkeitsnachweis", sentimentaler Übermotiviertheit oder aber von fundamentalistischer Stimmungs-Mache.

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Fest steht, dass das Fahren mit einer Pferde-Kutsche ein nicht unerhebliches Risiko beinhaltet. Dem entsprechend fasste schon vor fast einhundert Jahren ein Benno von Achenbach die Erfahrungen, die er europaweit auf diversesten professionellen Kutsch-Böcken gesammelt hatte, in einem Buch, „Anspannen und Fahren“, zusammen.

In dieser, noch heute nahezu weltweit anerkannten "Fahr-Lehre" formuliert er nicht nur in den "sieben Grundsätzen" die Ziele eines möglichst pferdeschonenden, zweckmäßigen und sicheren Fahrens (u.a.: 7. Das Durchgleitenlassen einer oder mehrerer Leinen macht korrektes Fahren unmöglich, ist im Straßenverkehr gefährlich und deshalb verboten.).

Wir meinen:

- Eine Fahr-Ausbildung, die sich an den Achenbachschen Grundsätzen orientiert, sollte gesetzlich vorgeschrieben sein. Sie garantierte zwar keine absolute Risiko-Freiheit des Umgangs mit einem von Pferden bewegten Fahrzeug. Sie verdeutlicht aber jedem Absolventen einer Prüfung zum Fahr-Abzeichen, wo Risiken zu beachten und wie sie zu minimieren sind.

- Pferde-Kutschen sollte die Nutzung des Straßenverkehrsraumes, ebenso wie Fußgängern und Radfahrern, nicht grundsätzlich verboten werden. Sie sollten dies aber nur so kurz und so selten wie möglich wahrnehmen, um ihn zu queren, wo es nicht zu vermeiden ist. Vorzugsweise auf wenig befahrenen und entsprechend gekennzeichneten Nebenstrecken (Achtung: Pferdekutschen!).

Pferde-Kutschen sind – ebenso wie unter-motorisierte Motorroller, 25km/h-Fahrzeuge und 6km/h-Traktoren – viel zu langsam für die Mehrheit heutiger „rasender, panzerschwerer Blech-Mobile“. Besonders nach Sonnenuntergang und überall da, wo sie nur selten zum Straßen-Bild gehören, sind Kutschen ohne extrem auffällige Rückbeleuchtung und Reflektoren eine Lebensgefahr für sich und den auffahrenden und einbiegenden PKW-Verkehr.

Unsere Erfahrungen auf einer Kutschen-Tour über mehrheitlich kleine Nebenstraßen durch die Franche Comté (Burgund) und Lothringen in Frankreich haben gezeigt, dass eine fast hundertprozentige Mehrheit otto-motorisierter Verkehrs-Teilnehmer möglich ist, die offensichtlich Sympathie für eine viel langsamere Eroberung des Raumes durch andere Mitmenschen haben und entsprechend erhöht aufmerksam, geduldig und rücksichtsvoll fahren.

Der Straßen-Verkehr des ausgehenden Öl-Zeitalters 2.0 und der „Anachronismus Pferdekutsche“ schließen sich nicht gegenseitig aus, sie sind durchaus kompatibel.

Kutsche-Fahren bedient auch kein Verlangen nach "Schein-Romantik", im Schlepptau "süßer Pferdchen durch Zucker-Landschaften schaukeln". Kutsche-Fahren 2.0 ist die sinnliche Brücke zu einer gar nicht so lange zurückliegenden Epoche, in der dies die einzige Möglichkeit war, größere Strecken in humaner, begreifbarer Geschwindigkeit zurückzulegen, im Wortsinn zu erfahren.

Ich möchte nicht, dass mir der Zauber dieser Erfahrung verboten wird. Schon lange nicht mit dem Argument, Jaron und Jankid, unsere beiden betagten Kutschpferde würden "grausam und tierquälerisch" behandelt.

Wer sich vom mindestens 150(!)prozentigen Gegenteil überzeugen möchte, besuche uns täglich um acht Uhr morgens und in der Stunde um den Sonnenuntergang, spätestens nach halb sieben, auf dem Saalbach Hof in Breitscheid.

Wir freuen uns auf ernstzunehmende Tierfreunde.

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