Pferde-Zahn-Behandlung
am Saalbach Hof

Dr. Langel sorgt für eine gute Funktion im Zellulose-Mahlwerk

Breitscheid, 19. Dezember 2012

Zu den Bildern von Jaron / von Jankid


Was man nicht so alles lernt, wenn man mit Pferden zu tun hat:

Wer in Deutschland glaubt, es sei eine gute Idee, sich ungestraft "Pferde-Zahnarzt" zu nennen, der liegt ebenso schief, wie der, der meint einen anderen so nennen zu dürfen.

Weil es im Studiengang zum Tiermediziner kein Fach "Pferde-Zahn-Medizin" gibt, ist der Name "Zahnarzt" den Zahn-Medizinern in der Human-Medizin vorbehalten. Ein Zahnarzt, der sich so nennen darf, ist also ausschließlich ein Menschen-Zahnarzt.

Wer dennoch seine Bemühungen um das Wohl und die Gesundheit von Pferdezähnen anbieten möchte, der darf das völlig straffrei unter der Bezeichnung "Pferde-Zahn-Behandlung" tun. Und seit es keine Ausbildung mehr zum Dentisten gibt, ist auch der Titel "Pferde-Dentist" nicht mehr geschützt. Jeder darf sich so nennen, allerdings auch die Tätigkeit ausüben, von der er persönlich meint, dass sie dazu passe.

Wer auf einen gewissen Ausbildungs-Standard Wert legt und dies auch seinen potenziellen Kunden signalisieren will, der macht z.B. eine Ausbildung und legt eine Prüfung nach der Prüfungsordnung der IGFP ("Internationale Gesellschaft zur Funktionsverbesserung der Pferdezähne e.V.") und vor von diesem Verein autorisierten Prüfern ab. Er darf dann den geschützten Titel "Pferde-Dental-Praktiker", "PDP nach IGFP" führen.

Wer jedoch Arbeiten am stehend sedierten Pferd vornehmen will, und nur so sind die wichtigsten Behandlungen am Pferdegebiss möglich, der braucht dazu, auch als PDP, einen Tierarzt. Nur Tierärzte dürfen nämlich eine "Stand-Sedation" durchführen.

Dabei wird dem Pferd ein Sedativum gespritzt, wonach es derart beruhigt ist, dass es heftigste Schleifarbeiten an seinem Gebiss erträgt, ohne in Panik zu geraten, wonach es dennoch so "wach" bleibt, dass sein Steh-Reflex funktioniert, dass es sich also nicht schlafend zu Boden legt.

Sedierung ist keine Narkose. Die Sedierung nimmt dem Pferd die Angst und hebt den Fluchtinstinkt weitest gehend auf. Dadurch wird eine sichere und gründliche Diagnostik ("wissender" Blick) im Maulraum und in der Folge ein sichereres, schnelleres und gründlicheres Arbeiten bei geringerem Verletzungs-Risiko für alle Beteiligten möglich.

Die Menge des zu verabreichenden Sedierungs-Mittels hängt ab vom Körpergewicht des Pferdes und von der geschätzten Dauer der Behandlung.

Da das Sedations-Mittel eine gewisse Zeit im Körper des Pferdes nachzuweisen ist und da es auf der Doping-Liste steht, sind Zahnbehandlungen für Sport- und Schlachtpferde entsprechend zu terminieren (Karenzzeiten).

Da wir all das (natürlich nicht) wussten und da es für unsere beiden rüstigen Sport-Veteranen ohnehin von keinerlei Wettkampf- oder gar Salami-Bedeutung ist, haben wir uns, wie im letzten Jahr, vertrauensvoll an den Termin gehängt, den Jutta für den Saalbach Hof mit Dr. Langel aus Hadamar, für Mittwoch, 19. Dezember 2012, gemacht hatte und ihn damit zum zweiten Mal mit der Pflege der Mahlwerke unserer Beiden betraut.

Immerhin ist er Tierarzt, darf also sedieren, und er bietet Pferde-Zahn-Behandlung an.

Im letzten Jahr lag ich zum entsprechenden Termin im Krankenhaus, kenne das Geschehen also "nur" aus Elkes Schilderungen.

Schon ihre Bewunderung für die Sicherheit, mit der Dr. Langel das Gewicht unserer Beiden so zutreffend geschätzt hatte, dass die entsprechend gespritzte Menge des Sedativums exakt für die geplante Zeit der Behandlung wirksam war, konnte ich bei diesem Termin absolut nachvollziehen.

Nachdem Dr. Langel dem Patienten das Beruhigungs-Mittel per Spritze in den Hals verabreicht hat, wirkt es bei einigen überraschend unmittelbar: Der Kopf senkt sich, das ganze Tier steht mit breiten Vorderbeinen in Schlaf-Modus.

Den schweren Kopf nimmt nun am Unterkiefer ein großer gepolsterten Ring auf, der mit einem Riemen wie ein Halfter im Nacken verschnallt wird. Mit einem Strick über den Boxen-Tür-Rahmen gezogen, wird dieses Ensemble nun von Elke in jeweils gewünschter Höhe fest gehalten.

Nun wird dem Patienten ein Maulgatter (Speculum) verpasst und ebenfalls im Nacken "verankert". Ein Stück Edelstahl-"Häwwi-Mättl", mit dem das Pferdemaul offen gehalten wird. Damit kann an allen Zähnen gearbeitet werden, außer den zwei mal sechs Schneidezähnen, gegen die sich die beiden Platten an den Hebel-Enden des Maulgatters abstützen.

Nun kann Dr. Langel, mit einer Kopflampe ausgerüstet, den geöffneten Maulraum inspizieren und seine Diagnose erstellen. Danach folgt dann das, was eine Sedierung auf jeden Fall notwendig macht: Der Einsatz einer elektrischen Schleifmaschine (Fräse).

Dieses Gerät besteht aus einem Metall-Griff, an dessen vorderem Ende sich rechtwinklig zu seiner Längs-Achse ein wg. Schleimhaut-Schutz eingefasster, Diamant besetzter, kreisförmiger Raspelkopf befindet. Dieser wird über eine flexible Welle von einem Elektro-Motor angetrieben und mittels eines Fußpedals gesteuert.

So werden die Kau-Flächen der Backenzähne an Ober- und Unterkiefer passgenau planiert und von scharfen Kanten und Haken befreit.

Stufen von einem zum benachbarten Zahn können, wenn sie besonders hoch sind, nicht in einer Behandlung ausgeglichen werden. Wie etwa bei Jaron im letzten Jahr.

Nach der diesjährigen Behandlung müssten seine hinteren Mahlwerke nun (wieder?) optimal funktionieren. Der Eindruck, den er Tage später macht, spricht sehr dafür: Ein genüsslich und zügig kauender kleiner Gelderländer, der früher für seine "Mäkeligkeit" beim Fressen berühmt war.

Jankid, der bis heute, leer kauend, knapsende Geräusche erzeugte, tut dies nun nicht mehr. Dafür kaut er auffällig verhalten, fast meditierend, so als traue er irgend einem "Braten" noch nicht so recht. Ursache scheint aber keine Fehlfunktion zu sein, eher wohl ein noch ungewohntes Gefühl.

Nach mehrmaligem Spülen mittels einer Klistier ähnlichen Riesen-Spritze, Auffangen des Spül-Wassers in dem am Unterarm hängenden Eimer und dem gesonderten, sorgfältigen Entleeren der "Reserve-Menge" hinter der Unterlippe (Dr. Langel: "Die geht sonst in den Ärmel"), wird das Maulgatter wieder abgenommen.

Nun kommt die Frontpartie dran. Mit einer Trennscheibe geht es Schneidezähnen zu Leibe, die zu lang sind, oder solchen mit unsymmetrischer Kaufläche.

Was ich bis heute auch noch nicht wusste:

Mehr oder weniger nach vorn gerichtete Schneidezähne sind keine schicksalshaften Anzeiger des Alters eines Pferdes. Sie sind es dann, wenn sie beim Abrupfen oder Abbeißen zu weichen oder "zu wenig rauen" Raufutters weniger stark abgeschliffen werden, als die Mahl-Flächen ihrer Backenzähne.

Dann übt die Kaumuskulatur derart permanent heftigen Druck auf die nun (relativ) "zu langen" Schneidezähne aus, dass sie nach vorne ausweichen und damit den Kauflächen von Ober- und Unterkiefer ermöglichen, sich wieder so weit anzunähern, dass sie ihre Lebens-erhaltende Mahlfunktion ausführen können.

Der ungleiche Abrieb von Schneide- und Backenzähnen ist bei der Ernährung unserer heutigen Pferde (fehlendes Prärie-Gras mit entsprechendem Kieselgehalt) mehr oder weniger unvermeidlich. Eine regelmäßige Kürzung der Schneidezähne durch den Pferde-Zahn-kundigen Menschen aber nicht.

Einem Pferd mit schräg nach vorn stehenden Schneidezähnen fehlt also nicht seine Jugend, sondern "nur" die alljährliche Zahnbehandlung.

So ist wohl das wichtigste Ziel aller Bemühungen um gesunde Pferde-Zähne eine so genannte "Maul-Balance", bei der Schneidezähne, Backenzähne und Kiefergelenke in "Einklang" sind.

"Neben dem Entfernen von scharfen Kanten und Haken geht es bei der Zahnbehandlung darum, gleichmäßige Kauflächen in korrekter Winkelung zu schaffen, sodass es dem Pferd möglich ist, bequem und schmerzfrei unter  maximaler Ausnutzung seiner Kauflächen der Mahlfunktion nachzugehen."
(Siehe:)

Zum Schluss der "Stehung" mit Dr. Langel kommt noch der Zahnstein an die Reihe, und ... schon ist die Stunde um ... und der geduldige und freundliche Doktor zieht mit seinem Equipment weiter zur nächsten Box.

Unsere Lieben dürfen jetzt noch zwei Stunden ruhen und sich von ihrem "Rausch" erholen. Erst dann wird ihnen, wie auch vor der Behandlung, an diesem ganzen Tag, nur! Heu angeboten. Bei Müsli und sonstigen Futterarten besteht Gefahr von Kolik und Schlundverstopfung.

Jankid schwitzt so stark, sein Kopf tropft, dass wir ihm eine Decke auflegen. Eine Reaktion auf das Sedativum, die auch Mozart zeigt, die aber außer verstärktem Nach-Durst keine negativen Folgen hat.

Die 125 Euro für Jankid (nur hinten) und 135 Euro Jaron (hinten und vorne) sind kein "Pappenstiel", sind uns aber die Zahn-Gesundheit wert, mit all dem, was als "Rattenschwanz", bis hin zur psychischen Ausgeglichenheit, daran hängt.


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