Sven Regener über Urheberrecht 2.0

in der Sendung „Zündfunk“ von
Erich Renz auf Bayern 2,
am 21. März 2012


Schriftliches Protokoll nach einer Audiodatei.
Ohne Gewähr von Karlheinz.


Sven Regener*0*: …wir machen keine Verträge, wir gehen keine Geschäftsbeziehungen ein mit den Plattenfirmen, weil wir doof sind, … oder weil wir etwas zu verschenken hätten, sondern weil wir sonst unsere Musik nicht machen können.

Und mein Problem, das ich dabei habe ist, man wirkt uncool, wenn man sagt, hier, Urheberrecht und so. Aber es wird so getan, als wenn wir Kunst machen würden als exzentrisches Hobby.

Und das Rumgetrampel darauf, dass wir irgendwie uncool seien, wenn wir darauf beharren, dass wir diese Werke geschaffen haben, ist im Grunde genommen nichts anderes, als dass man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: Euer Kram ist eigentlich nichts wert. Wir wollen das umsonst haben. Wir wollen damit machen können, was wir wollen. Und wir scheißen darauf, was du willst oder nicht.

Die Gesellschaft, die so mit ihren Künstlern umgeht, ist nichts wert.

Das einzig Wahre am Rock-n-Roll ist, dass wir jede Mark, die wir bekommen, selber verdienen*1*. Die bekommen wir von Leuten, die sagen: Ja, das ist mir das wert, ich geb‘ 99 Cent aus für dieses Lied. Das ist die Idee dabei. Das macht den Rock-n-Roll groß. Alles andere ist Subventionstheater – ja – Alles andere ist Straßenmusik. Aber ich möchte kein Straßenmusiker sein.

Und das ist halt diese Frage des Respekts und des Anstands. Das muss ich mal ganz ehrlich sagen. So wie es auch eine Frage des Respekts und des Anstands ist, nichts im Supermarkt zu klauen, selbst dann, wenn man wüsste, dass man nicht erwischt würde.

Solange das funktioniert, ist das gut. Wenn das nicht funktioniert, müssen wir uns natürlich andere Wege überlegen, wie wir unsere Platten produzieren, oder eben auch nicht.

Denn, zu glauben, man könne auf Plattenfirmen verzichten und dann würde man, sozusagen, trotzdem noch die selbe Art von Musiklandschaft vorfinden, wie wir sie eigentlich jetzt haben, oder sagen wir mal, wie wir sie vor zehn Jahren hatten, das ist ein großer Irrtum.

Und den Leuten, die heute in Plattenfirmen arbeiten - also, das ist ja kein cooler Job mehr - nicht - und es arbeiten ja auch nur noch ein Bruchteil von Leuten dort, wie vor zehn oder fünfzehn Jahren - ja - diesen Leuten zu erzählen, dass sie im Grunde Scheiße sind, weil sie bei einer Plattenfirma arbeiten, das ist schon ganz schön dreist.

Erich Renz: Das hab‘ ich auch niemandem unterstellt.

Sven Regener: Ich weiß nicht, wie alt Sie sind. Aber eins muss Ihnen klar sein, für die Leute zwischen fünfzehn und dreißig gibt es keine endemische*2* Musik mehr. Die haben keine eigene Musik mehr.

Die kleinen Labels, die vor allem ihr studentisches Zielpublikum hatten, die ganzen Indi-Labels, die sind alle tot, die sind alle weg. Was bleibt, ist Volksmusik, Deutscher Schlager und Rockmusik für die Älteren. Der Rest dazwischen ist schon tot.

Und das ist nicht lustig. Und das ist aber das Problem, gerade wenn man Indi-Rocker ist wie wir, oder so, dass das Letzte, was man gebrauchen kann ist, uncool da zu stehen. Das ist sozusagen das Tödlichste, das einem passieren kann.

Also halten alle schön die Füße still - und die Schnauze - und den Kopf unten - und schauen dabei zu, wie die Sache immer weiter den Bach runter geht.

Und zu glauben, irgendwann käme das Sozialamt um die Ecke und würde die Bezahlung der Künstler (unter-) übernehmen, und dabei würde noch gescheiter Rock-n-Roll rauskommen, das kann man knicken.

Und was wir zum Beispiel im Augenblick haben, diese Sache mit YouTube – ja –, da muss man mal ganz klar irgendwie die Fronten klar machen. YouTube gehört Google. Das ist ein Milliarden schwerer Konzern, die aber nicht bereit sind, pro Klick zu bezahlen.

Nun hat aber weder YouTube, noch Google uns irgend'was zu bieten, außer, was andere Leute geschaffen haben und da rein gestellt wird.

Und da sind wir gerade an dem Punkt, wo die Musiker sagen und die GEMA sagt - und die GEMA sind wir letztendlich, das sind die Komponisten und Textdichter - wo wir sagen: Nein, für dieses Geld kriegt ihr unseren Kram nicht.

Und wir sehen nicht ein, dass Milliarden-Geschäfte gemacht werden, auch mit Werbung in diesem Bereich – ja – und wir kriegen davon nichts ab. Wir sind sozusagen die Penner in der letzten Reihe. Das ist'ne Unverschämtheit.

Und das sollte sich jeder, auch junge Mensch, genau überlegen, ob er sich wirklich zum Lobbyisten von so‘nem Milliarden schweren Konzern wie Google machen möchte. Und das sind große Lobbyverbände, diese Internetfirmen – ja – und viel stärkere, als zum Beispiel die Plattenindustrie.

Und die bringen dann als Hilfstruppen all die Deppen ans Spiel, die sagen: Warum kann ich denn das Video nicht auf YouTube kucken?

Ja, dann kuck’s halt woanders. – Ja – unsere Videos kann man alle bei element-of-crime.de kucken, da muss man nicht zu YouTube gehen. Tut mir leid, gibt’s halt nicht bei YouTube. Bis die (nicht) bereit sind, dafür auch was zu bezahlen.

Denn ein Geschäftsmodell, das darauf beruht, dass diejenigen, die den Inhalt liefern, nichts bekommen, das ist kein Geschäftsmodell, das ist Scheiße. – ja – Und ansonsten können sich ja dann alle ihre Lieder von Kim Schmitz vorsingen lassen.

Erich Renz: Hee, das ist ja eine ganz schön dezidierte*3*Meinung, Herr Regener.

Sven Regener: Hahaha. Na das ist nicht schön. Und das tut mir auch leid, dass sie jetzt so schwallartig hier runterkommt. Aber mir steht‘s wirklich bis hier. Ich kann das alles nicht mehr hören.

Ich kann vor allem die ganzen asozialen Leute nicht mehr hören, die immer sagen, diese Künstler sind doch sowieso alles Nutten, wenn sie’s für Geld machen – ja –.

Die Leute haben für alles Geld, aber wir sollen es irgendwie umsonst machen. Was soll das?

Auch der Begriff Piratenpartei ist geistiges Eigentum. Und wenn ich morgen hier ‘ne Piratenpartei gründe, steht ’ne halbe Stunde später der Anwalt der Piratenpartei auf der Matte. So sieht’s nämlich aus.

Und, was weiß ich, der örtliche Chef hier von der Piratenpartei, der hat’ne Firma. Die machen Apps für’s I-Phone – ja – das ist’n geschlossenes System, das ist hundert Prozent Copyright, mit Anwälten und allem drum und dran - ja -.

Und der Typ sagt, „Ja - hier - alles schön frei“ und so weiter.

Aber das möchte ich mal sehen, wenn ich sein Programm, was er da gerade verkauft, wenn ich das knacke und ins Internet stelle, für jeden zum freien Runterladen und Installieren auf seinem I-Phone, dann hab‘ ich hier Anwälte von I-Tunes auf dem Hals, bevor ich überhaupt das Ding hochgeladen hab‘.

Und die selben Leute, diese ganze Verlogenheit, das ist im Grunde ein reines Banausentum, das geht jetzt immer nur gegen die Künstler.

Und das finde ich höchstgradig unangenehm
– Ja –.


*0* Sven Regener ist Musiker der Berliner Band ELEMENT OF CRIME und Roman Autor.
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*1* Wow, endlich mal einer, der den Unterschied zwischen Geld bekommen und Geld verdienen kennt.
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*2* endemische Musik = nur (mehrheitlich) in dieser Altersgruppe gemochte, "ihre" Musik.
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*3* ganz schön dezidiert = sehr entschlossene Meinung, sagt der, der dabei war. Die "Wut"rede hätte gerne der, der die ruhige, aber bestimmte Ernsthaftigkeit des Gesagten in Zweifel ziehen möchte.
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Siehe auch:

Der Artikel von Konstantin Wegner: Lob der Content-Mafia, Süddeutsche Zeitung, 04.04.2012

Artikelsammlung in der Süddeutschen Zeitung zum Thema Urheberrecht.

"Freier Zugang zu Kulturgütern ist nicht gleich deren kostenfreie Verfügbarkeit": Der Offene Brief von 51 Tatort-Autoren vom 29.03.2012

"Raubkopien erst digital, dann illegal": Gottfried Honnefelders Rede zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse


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